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12. März 2021

Mal was Neues: Wildbretvermarktung via Internet – „Marktschwärmereien“ machen es möglich

Die ökologische Jagd ist für die Zukunft unserer Wälder essentiell wichtig, denn angepasste Schalenwildbestände sind die Voraussetzung für gemischte, klimastabile und klimapositive Wälder. Dabei produziert man außerdem Fleisch, das ohne die allseits bekannten Probleme menschengemachter Viehzuchtanlagen (Artgerechtigkeit, Futtermittel, Gülle, Medikamentenrückstände, Tiertransporte, Massenschlachtung…) direkt aus der Natur entnommen wird. Das Wildbret erfüllt also alle Voraussetzungen, um Fleischgenuss ohne schlechtes Gewissen zu ermöglichen. Außerdem schmeckt es – richtig zubereitet – auch ganz vorzüglich. Das sind wohl die Hauptgründe, weshalb die Nachfrage inzwischen deutlich gestiegen ist.


Allerdings ergeben sich bei der Vermarktung einige Probleme:

  • Nachfrage besteht vor allem nach küchenfertig portionierten Wildteilen, was für den Jäger einen großen Aufwand bedeutet – zusätzlich zur zeitaufwändigen Jagdausübung.
  • Das Angebot an Wildbret ist für den einzelnen Jäger hinsichtlich Art und Menge kaum planbar, oft kurzfristig vorhanden – oder eben nicht. Eine Synchronisation mit der Nachfrage ist da oft schwierig.

ÖJV-Jäger Thomas Veit aus Neuhof an der Zenn/Bayern hat uns auf seine Vermarktungsstrategie aufmerksam gemacht, die er seit 2 Jahren erfolgreich umsetzt: Die Vermarktung seines Wildbrets über die Online-Plattform „Marktschwärmer“


Und so funktioniert das:


Marktschwärmereien sind virtuelle Marktplätze, eingerichtet von örtlichen „Gastgebern“, auf denen verschiedene Waren regionaler Produzenten und Verkäufer angeboten werden. Das Angebot bezieht sich dabei immer auf einen bestimmten Verkaufstermin und einen bestimmten Ort, an dem die persönliche Übergabe aller gekauften Waren durch die Verkäufer an die Käufer erfolgt.

Verbraucher können dann im Internet diese Waren erwerben, bezahlen und zum bekannten Termin in der entsprechenden Marktschwärmerei beim Verkäufer abholen, der dann auch vor Ort ist (Ausnahme: Corona-bedingt wurden die Waren in der Pandemie ohne Anwesenheit der Verkäufer verteilt. Das soll sich aber wieder ändern, sobald es möglich ist! Oft wird auch ein Lieferservice angeboten.)

 

Wie funktioniert das für Thomas Veit?


Er friert die portionierten, etikettierten Wildteile ein, wie sie anfallen. Dann platziert er sein Angebot auf dem Internetportal der ihm nächstgelegenen Marktschwärmerei (Nürnberg oder Erlangen) zum nächsten Verkaufstermin. Einmal eingerichtet und mit guten Bildern präsentiert, ist dieser Vorgang recht einfach. Am Ende des Angebotszeitraums für die Schwärmerei, erfährt Thomas Veit, was er alles verkauft hat. Zum verabredeten Zeitpunkt fährt er dann die tiefgekühlten Waren in Kühlboxen zur entsprechenden Marktschwärmerei und übergibt die bestellte Ware den Käufern (Dauer der Warenübergabe: ca. 2 Stunden). Natürlich wird darauf geachtet, dass die Kühlkette nie unterbrochen wird.
Sein Geld bekommt Thomas Veit von der Marktschwärmer-Plattform – abzüglich einer Provision in Höhe von 20%.

 

 

Beispiel für ein Vermarktungsangebot über das Portal  "Marktschwärmer"

Ziel des Ganzen ist es, regionale Netzwerke aus Verbrauchern und Erzeugern aufzubauen und damit einen transparenten und fairen Handel zu unterstützen.
Aktuell gibt es etwa 120 „Marktschwärmereien“ in Deutschland, die aktuell etwa 1925 Erzeuger mit knapp 150.000 registrierten Nutzern verbinden. Die durchschnittliche Entfernung zwischen Erzeuger und Schwärmerei beträgt dabei unter 30 km. Koordiniert wird das Ganze in Deutschland von Berlin aus. Gastgeber, also virtuelle Marktplätze finden sich in fast allen Regionen Deutschlands. Marktschwärmereien gibt es aber auch in den Niederlanden, Belgien, der Schweiz, Italien und besonders viele in Frankreich.


Fragen an ÖJV-Jäger und Marktschwärmer-Produzent Thomas Veit:


1.    Herr Veit, Sie sind Jagdpächter und Mitglied im Ökologischen Jagdverein Bayern, also bekennender ÖkoJäger. Ihr Wildbret verkaufen Sie zu einem großen Teil über die örtlichen Marktschwärmereien. Hat das Eine aus Ihrer Sicht etwas mit dem Anderen zu tun?
Für mich persönlich ist die Regionalität sehr wichtig; das ist für mich Teil der Jagd. Damit kann ich sowohl dem Wald helfen aber auch das gute Fleisch verwerten. Außerdem kann ich so das Ansehen der Jagd verbessern. Das Töten von Tieren ist ja heute in manchen Bevölkerungsschichten absolut verpönt. Dass hinter dem Ganzen aber ein wichtiges Ziel steht, nämlich die Ermöglichung von natürlicher Waldverjüngung, das bringt sogar manchen Veganer dazu, mal von meinem Wildfleisch zu probieren.


2.    Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit die Wildbret-Vermarktung auch allen gesetzlichen und hygienischen Vorschriften entspricht?
Man braucht eine abgenommene Wildkammer, muss also als Lebensmittelunternehmer registriert sein. Entsprechend muss natürlich auch die Wildkammer ausgestattet sein und müssen die entsprechenden Hygieneauflagen eingehalten werden. Dazu sollte man sein Veterinäramt kontaktieren. Meine Erfahrungen sind da durchwegs positiv. Als kundige Person kann ich dann tagesübliche Strecken (dazu zählt, was an einem Drückjagdtag anfallen kann) innerhalb von 100 km um die Wildkammer herum direkt an den Endkunden (wie bei den Marktschwärmern) vermarkten – auch Wurstwaren und Schinken.


3.    Welche positiven und/oder negativen Erfahrungen haben Sie gemacht?
Besonders gut sind für mich die Gespräche mit vielen, interessierten und engagierten Leuten, die sonst nie Wild kaufen würden. Die kann ich sensibilisieren für die ökologische Jagd und unsere Ziele. Manche kontaktieren mich auch später via E-Mail, weil sie Ideen oder Fragen haben. Ich finde es gut, dass bei der Marktschwärmerei auch auf diese Weise ein direkter Kontakt zwischen Erzeuger und Kunden möglich ist.
Negative Erfahrungen habe ich bisher keine gemacht, die Organisation der Schwärmereien funktioniert perfekt. Mein Geld kam immer pünktlich etwa 3 Tage nach der Abholung der Waren.


4.    Lohnt sich für Sie die Vermarktung über das Marktschwärmer-Portal?
Das kommt auf die Sicht der Dinge an. Für mich lohnt es sich, allerdings könnte man natürlich nicht davon leben. Ich finanziere damit so halbwegs die Ausgaben für die gepachtete Jagd. Und ich verbessere damit das Bild der Jagd in der Öffentlichkeit. Das ist mir auch viel wert.


5.    Welche Änderungen wünschen Sie sich, damit die Wildbret-Vermarktung auch für den einzelnen Jagdpächter erleichtert wird?
Es müsste Veränderungen geben, damit die regionale Vermarktung von Wild aus heimischen Jagden in küchenfertigen Portionen erleichtert wird. Insgesamt müsste das Kleine, Regionale mehr gefördert werden. Zum Beispiel könnte man die Einrichtung von anerkannten Wildkammern staatlich fördern. Außerdem brauchen wir pragmatische Lösungen für einen angemessenen, für einen Laien stemmbaren Verwaltungsaufwand.
Wichtig ist außerdem die Werbung für Wildbret als wertvolles, aber für jeden erreichbares Fleisch mit gutem Gewissen.

Vielen Dank Herr Veit, weiterhin viel Erfolg beim Jagen und Vermarkten!


Das Interview mit Thomas Veit führte die Autorin des Artikels, Heike Grumann.

 

Thomas Veit, ÖJV-Jäger und Marktschwärmer-Produzent