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22. März 2021

Bayerisches Verwaltungsgericht bestätigt „Allgemeinverfügung zur Verhinderung missbräuchlicher Fütterung“

In einer 200 ha großen Eigenjagd wird eine intensive „Sommerkirrung“ betrieben. Dies führt zu „der mit Abstand höchsten Rotwilddichte“ in der Hochwildhegegemeinschaft.
So lag der Rotwildabschuss in der Eigenjagd im Schnitt der vergangene Jahre bei etwa 15-20 Stück/100 ha!
Nach Ansicht des LRA hat die „unsachgemäße und nicht zielführende Kirrung und die daraus resultierende Rotwilddichte Verbiss- und massiven Schälschäden und damit einen „seit vielen Jahren unzureichenden Waldzustand“ zur Folge (Rd.Nr.4).

Das LRA erließ am 13.08.2018 eine Allgemeinverfügung zur Regelung der Kirrung von Reh- und Rotwild:

  • Die Kirrung ist ab nur dem 01.11. bis zum Ende der jeweiligen Jagdzeit erlaubt.
  • Als Kirrmaterial darf nur Apfeltrester verwendet werden.
  • Pro 50 ha ist nur ein Kirrplatz mit je 5-10 kg Kirrmaterial erlaubt.
  • Die Kirrung darf längstens nur 7 Tage beschickt werden. Das Kirrmaterial ist dann vollständig zu beseitigen. Eine Wiederbeschickung ist nur nach einer 7-tägigen Pause erlaubt.

Damit soll eine Konzentration des Rotwildes vermieden werden, ein Unterlaufen der Fütterung nicht möglich sein und das Hegeziel soll durch Kirrung und Fütterung nicht gefährdet werden.

Gegen die Allgemeinverfügung vom 13.08.2018 wurde Klage erhoben mit der Begründung diese Verfügung sei u.a.

  • ermessensfehlerhaft
  • unbestimmt
  • unverhältnismäßig
  • ungeeignet.


Vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht (BayVG) hatte die Klage keinen Erfolg. Sie wurde mit Urteil vom 17.11.2020, Az.: M 7 K 18.4597 abgewiesen.

Das Gericht bezog sich bei den Begründungen auf das Hegeziel (§Abs.2 BJG i.V.m. §23a, Abs.2, Satz 2 AVBayJG). Das Gericht stellt fest, dass die Gefährdung des Hegeziels (§1,Abs.2 BJG) durch bereitgestelltes künstliches Futter sowohl den Wildstand als auch die Landeskultur treffen kann (Rd.Nr.27). Das Vorliegen einer solchen Gefährdung ist vom LRA  hinreichend dargelegt worden. Die Kirrpraxis führt zur Wildkonzentration, diese zu überhöhter Verbissbelastung, diese beeinträchtigt die Forstwirtschaft (Rd.Nr28).

Kennzeichen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft ist  Erhaltung des Waldökosystems als Lebensraum einer artenreichen Pflanzen- und Tierwelt. Dies setzt u.a. die stetige Verjüngung voraus (Rd.Nr.29).

Es besteht ein unmittelbarer Anspruch der Forstwirtschaft auf Gewährleistung der Waldverjüngung. Zum Gelingen dieser landeskulturellen Maßnahme der Forstwirtschaft muss daher auf eine entsprechende Anpassung der Schalenwildbestände hingewirkt werden.

Das Gericht bestätigt den Grundsatz „Wald vor Wild“ (s. u.a Rd.Nr 29):

  • Ein gegenüber den naturgegebenen Äsungsverhältnissen überhöhter Wildbestand mit der Folge vermehrter Verbissbelastung des Waldes stellt eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen forstwirtschaftlichen Nutzung dar.
  • Bestmögliche Vermeidung von Wildschäden normiert §1, Abs2, Satz BJG ausdrücklich als Zielgröße.
  • Die Jagd und ihre Ausübung sind von wesentlichem Einfluss auf die Vegetation insbesondere den Wald. Auf Grund der überragenden Bedeutung des Waldes für die Allgemeinheit stehen Regelungen über die Jagdausübung unter dem aus Art 141, Abs.1 BV abzuleitenden Verfassungsgebot den Wald auch vor Schäden durch zu hohen Wildbestand zu schützen.
  • Das Jagdausübungsrecht muss sich am Anspruch des Waldbesitzes auf Vermeidung von Wildschäden messen lassen. Waldbauliche Interessen haben grundsätzlich Vorrang vor jagdlichen Interessen  wegen der überragenden Bedeutung des Waldes für Klima, Wasserhaushalt, Sauerstoffproduktion, Nährstoffspeicherung, biologische Vielfalt. (Rd.Nr.59)
  • Akzeptabel sind nur solche Wildschäden, die trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten unvermeidbar sind („möglicht zu vermeiden“).
  • Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Hegeverpflichtung ist den privaten Interessen an einer günstiger erscheinenden Jagdausübung vorrangig (Rd.Nr.63).


Zum Thema Kirrung bzw. Fütterung stellt das Gericht u.a. fest (Rd.Nr.32-41):
Unter dem Deckmantel der Kirrung wird gefüttert, wenn

  • in unmittelbar Nähe der Fütterung gekirrt wird.
  • ein Fütterungseffekt erzielt wird.
  • der Kirrplatz nicht bejagt werden kann.
  • große Mengen Futter ausgelegt wird.

Eine missbräuchliche  Kirrung liegt dann vor, wenn

  • eine Lockwirkung erzielt wird, die zu einer Verstetigung der Wildkonzentration und zu einer Perpetuierung der Gefährdung des Hegeziels führt.
  • durch künstliches Futter eine erhebliche Anziehungskraft erzeugt, das Wanderverhalten beeinflusst und damit das Hegeziel gefährdet wird (Rd.Nr.40).
  • nicht artgerechtes Futter vorgelegt wird.

Der Missbrauch ist dabei objektiv zu sehen. Eine subjektive Absicht ist nicht nötig.

Es ist wie so oft. Ein Missbrauch führt zu weiteren Regelungen, zumal wenn freiwillige Anerkennung verbindlicher Regeln mangels Konsensfähigkeit nicht möglich ist (Rd.Nr.23). Die UJB, das AELF und insbesondere der Jagdberater haben mit großer Mühe und Sachkunde die einschlägigen Tatbestände und Sachverhalten recherchiert und dokumentiert und damit dem Gericht stichhaltige Beweise geliefert.
Ob sich draußen im Wald etwas ändert, ist eine andere Frage. Der Waldumbau hat in Zeiten der Klimaerwärmung allerhöchste Priorität. Die Jagd steht dabei in besonderer Verantwortung. Der Wald zeigt ob die Jagd dieser Verantwortung gerecht wird.

Zusammenfassung von Meinhard Süß