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06. Februar 2022

Schalenwild füttern?

 

 

Anmerkungen zur PM des Bayerischen Jagdverbandes vom Januar 2022 (http://www.jagd-bayern.de/fuettern-fuer-den-klimawald/

Wussten Sie schon, dass der BJV in seiner neuen Pressemitteilung zur Fütterung behauptet, …

Die Meinung des ÖJV Bayern dazu: 


…, dass an Fütterungen gebundenes Wild weniger Schäden im Wald verursacht und Verbiss- und Schälschäden bei Fütterung ausbleiben?

 

Interessant wäre, wie der BJV zu dieser Weisheit kommt, denn es  sind viele Reviere mit viel zu hohem Verbiss  trotz Fütterung bekannt. 

 


…, dass die Anpassung der Wildbestände überwiegend aus wirtschaftlichen Interessen und Gewinnmaximierung erfolgen soll?

 

Es geht doch darum, die ökologische Vielfalt in unseren Waldökosystemen zu erhalten, angefangen von den jungen Bäumchen bis hin zu den verbissgefährdeten krautigen Pflanzen, also darum einen artenreichen, stabilen Zukunftswald zu ermöglichen. Überhöhte Wildbestände sorgen für eine Entmischung der Naturverjüngung, wodurch es die besonders wichtigen Baumarten wie Tanne und Eiche oder andere Edellaubhölzer schwer haben, sich zu verjüngen.

 

Dass der Waldumbau in erster Linie der Schaffung eines stabilen, klimatoleranten Waldes dient, damit dieser auch in Zukunft seinen wichtigen Funktionen als Trinkwasserspeicher, Erosionsschutz, Schutz vor Lawinen- und Murenabgängen, hochwertiger Lebensraum für zahllose Tiere und Insekten, Lieferant eines nachhaltigen Baustoffes Holz etc… nachkommen kann, ist beim BJV scheinbar noch nicht angekommen.

 


…,  dass durch die Anlage von Äsungsflächen,  Verbissschutzclips und eine ausreichende Winterfütterung die Probleme in den Griff zu kriegen seien?

 

Zusätzliche Äsungsflächen verringern den natürlichen winterlichen Flaschenhals und erhöhen  künstlich die Biotopkapazität, so dass der Schalenwildbestand eher noch steigen wird. 

Wie durch diese Maßnahmen eine Entmischung der Naturverjüngung verhindert werden soll, ist völlig offen. Und wozu das Ganze, wenn doch durch eine Anpassung der Wildbestände die Probleme viel einfacher in den Griff zu kriegen sind? Die einzige funktionierende flächige Möglichkeit wäre der Zaunbau, mit all seinen Begleiterscheinungen wie ständig notwendiger Kontrolle, Verringerung der für das Wild nutzbaren Fläche, … 

Und warum übersieht der BJV die „Schäden beim Wild“? Denn es ist schon   länger bekannt, dass die Wildfütterung ein idealer Platz für den Austausch von Parasiten ist und der Schaden für das Wild durch falsche Fütterung (Pansenübersäuerung) oft größer ist als der Nutzen und damit massives Tierleid verursacht wird.

 


…, „dass die Jägerschaft alle Möglichkeiten in Betracht zieht und ausschöpft, um nicht den Totalabschuss und einen Wald ohne Wild als einzige Lösung für den Waldumbau zu haben, die ohnehin vornehmlich wirtschaftlichen Interessen Rechnung trägt.“

 

Wenn dem so wäre, müssten ja in Revieren mit günstigen Vegetationsgutachten die Abschusszahlen binnen weniger Jahre rapide sinken. Tun sie aber nicht, da durch die Anpassung der Wildbestände der Wildlebensraum wesentlich verbessert wird. Einstandsflächen und natürliche Äsung entstehen, die Lebensraumkapazität wird erhöht. Für das Wild bedeutet es weniger innerartlichen Stress, geringere Parasitierung und weniger Tierleid und Wildunfälle. Für die Jagd stellt sich aber damit die Aufgabe, den Zuwachs abzuschöpfen. 

Und außerdem: Wer will denn einen Totalabschuss oder einen Wald ohne Wild? – Der ÖJV Bayern nicht! 

 


…, dass ein verbissener Baum durch seine Zwieselbildung mehr CO² bindet als ein unverbissener!

 

Eine gewagte, ungedeckte Behauptung! 

Dass jeder am Leittrieb verbissene Baum im Wachstum um mehrere Jahre zurückgeworfen wird und damit weniger CO2 speichert, übersieht der BJV hier schon einmal. Das Loblied auf den Leittriebverbiss ist grundsätzlich absolut kurzsichtig, denn es nimmt in Kauf, dass  wir in manchen Regionen Bayerns immer noch einen Totalverbiss von den für den Zukunftswald besonders wichtigen Baumarten wie Tanne und Eiche und andere Edellaubhölzer haben, die wir für die Stabilität zukünftiger Wälder brauchen. 

 


…,  dass die Wildtiere durch zunehmende Flächennutzung auf immer kleinere Flächen gelenkt und ihre Lebensräume von unüberwindbaren Hindernissen durchschnitten werden, Frost und Schnee die Nahrungsverfügbarkeit zusätzlich verringern und die ausgeräumte Agrarlandschaft wenig Nahrung bietet.

 

Richtig ist, dass gezäunte Flächen – wenn die Zäune dicht sind und ihren Zweck erfüllen - als Lebensraum für das Schalenwild wegfallen. Auch deshalb ist der ÖJV gegen Zäune! 

Die zunehmende Nutzung und Zerschneidung unserer Kulturlandschaft ist ein Faktum, gegen das man sich politisch wenden sollte. Solange sich aber daran nichts ändert, ist der damit eingeschränkte Lebensraum die Ausgangslage, an die Schalenwildbestände angepasst werden müssen. 

Und dass die ausgeräumte Agrarlandschaft wenig Nahrung bietet, geht an der Realität voll vorbei. 

 


„Pflicht zur Fütterung in Notzeiten“ 

 

Die Studien von Prof. habil Dr. König der TU München belegen gerade für das Rehwild, dass es in Bayern zu allen Jahreszeiten, auch im Winter genügend Nahrung gibt, also keine Notzeit herrscht. 

Es ist auch hinreichend bekannt, dass die Winter in den letzten Jahrzehnten deutlich milder geworden sind, die Vegetationsperioden immer länger werden und  das  Rehwild  Jahrtausende ohne Zufütterung in deutlich raueren Gefilden  überlebt hat. 

 


Fazit: 

An der Anpassung des Schalenwildes an den zur Verfügung stehenden Lebensraum führt kein Weg vorbei. 

Fütterung als alternative Lösung ist dabei nicht zielführend! 

Sowohl das Jagd- als auch das Waldgesetz (jeweils Art. 1) fordern deshalb zurecht die Anpassung des Schalenwildes! – Der ÖJV Bayern wird sich weiterhin dafür einsetzen. 

 

BayJG Art. 1 (2) 3.

„Dieses Gesetz soll neben dem Bundesjagdgesetz1) dazu dienen:

Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung durch das Wild möglichst zu vermeiden, insbesondere soll die Bejagung die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen“

 

BayWaldG Art. 1 (2) 2.

„Dieses Gesetz soll insbesondere dazu dienen …  

 

einen standortgemäßen und möglichst naturnahen Zustand des Waldes unter Berücksichtigung des Grundsatzes „Wald vor Wild“ zu bewahren oder herzustellen“

 

Dr. Wolfgang Kornder 

(1. Vorsitzender ÖJV-Bayern)