Rotwildgebiete

Hirsche sollen frei wandern können 

Forderung des BJV und von Wildem Bayern e.V. nach Aufhebung der Bayerischen Rotwildgebiete 

Wildes Bayern e.V. befürchtet die Ausrottung des Rotwildes 

 

Der BJV und Wildes Bayern e.V. fordern die Abschaffung der rotwildfreien Gebiete in Bayern. Rotwild soll sich frei ausbreiten dürfen, um eine genetische Verarmung und Inzucht zu vermeiden. 

(Bild: Dr. W. Kornder)
(Bild: Dr. W. Kornder)

Rotwildgebiete in Bayern 

 

Etwa 14 % der Landesfläche in Bayern sind sog. Rotwildgebiete, 86 %  der  Landesfläche sollten rotwildfrei sein. Die Rotwildgebiete sind  in der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes § 17 im Anhang 3 Rotwildgebiete klar definiert. 

  • Rotwildgebiet Oberbayern (Hochgebirge) a) Teilgebiet Ost und b) Teilgebiet West
  • Rotwildgebiet Oberbayern (Isarauen)
  • Rotwildgebiet Schwaben
  • Rotwildgebiet Bayerischer Wald
  • Rotwildgebiet Oberpfalz Süd
  • Rotwildgebiet Oberpfalz Nord und Veldensteiner Forst
  • Rotwildgebiet Fichtelgebirge
  • Rotwildgebiet Haßberge
  • Rotwildgebiet Spessart/Rhön
  • Rotwildgebiet Odenwald

Diese Festlegungen sind in den 50ger Jahren erfolgt. Begründet wurde dies einerseits mit den hohen Schäden an der Landeskultur durch Rotwild. Die massiven Schäden durch Schalenwild und insbesondre Rotwild haben in Deutschland historisch gesehen immer wieder zu Reduktionsforderungen (z.B. 12 Artikel der Bauern im Bauernkrieg) und Reduktionsmaßnahmen (z.B. Ausrottung des Rotwildes in Mittelfranken durch August Freiherr von Hardenberg um 1800) geführt. 

Andererseits war mit der Errichtung von Rotwildgebieten der Erhalt des Rotwildes in Bayern gesichert, man hoffte, in den eingegrenzten Gebieten den Spagat zwischen Schäden an der Landeskultur und dem Rotwild hinzubekommen.  

 

Gefährdungen der bayerischen Rotwildbestände?

 

In kleinen Insellagen besteht die Möglichkeit der Inzuchtdepression, d.h. durch die zu enge Paarung von verwandten Tieren ist die Gefahr der genetischen Verengung und damit der Inzucht gegeben. Diese zeigt sich z.B. in der Ausprägung zu kurzer Unterkiefer oder in einer verringerten Überlebensfähigkeit der Kälber. Wie aktuelle Forschungen vor allem in Hessen zeigen, finden sich in kleinen, isolierten Rotwildbeständen solche Engführungen. In Hessen wurde diese Entwicklung durch die Zerschneidung der Landschaft mit Autobahnen heraufbeschworen. Zu den wichtigsten Gegenmaßnahmen zählt der Bau von Grünbrücken, der völlig unabhängig vom Rotwild auch in Bayern vorangetrieben wird.  

Der absolut größere Teil der bayerischen Rotwildbestände ist aber an große Rotwildgebiete angebunden, so dass hier keine Bedrohung durch Genverarmung besteht. Die von Wildem Bayern e.V. postulierte Ausrottung des Rotwildes ist deshalb eine völlig unrealistische Übertreibung. Auch in den kleineren Rotwildgebieten, z.B. in den Isarauen wurden bislang keine Anzeichen einer Inzuchtdepression beobachtet oder gar wissenschaftlich belegt. 

 

Jedes Stück Rotwild außerhalb der Rotwildgebiete wird abgeknallt? 

 

Grundsätzlich muss festgestellt werden, dass in Bayern bereits viel Rotwild außerhalb der Rotwildgebiete existiert. Paradebeispiel ist Oberfranken, wo in rotwildfreien Gebieten das Rotwild inzwischen Standwild ist. Betrachtet man die Bayernkarte zur Sichtung/Verbreitung  von Rotwild in der HHG Oberpfalz-Nord, so reibt man sich verwundert die Augen, wo überall in Bayern sich Rotwild außerhalb der festgelegten Rotwildgebiete tummelt (Rotwild in Bayern - Hochwildhegegemeinschaft Oberpfalz Nord – Veldensteiner Forst). Die reißerische Botschaft mancher Verbände vom rigorosen Abknallen jeden Stückes, das den Kopf aus den festgelegten Rotwildgebieten herausstreckt, ist schon allein deshalb reiner Populismus. 

Dass sich die Rotwildbestände außerhalb der Rotwildgebiete fröhlich verbreitet, hat verschiedene Ursachen. Einmal können wir in ganz Europa generell feststellen, dass sich Schalenwildbestände ausbreiten. Die Lebensbedingungen scheinen sich ganz einfach verbessert zu haben. Andererseits geht vom Rotwild eine große Faszination aus, die dazu führt, Rotwild an das eigene Revier, auch außerhalb der Rotwildgebiete zu binden – in der Hoffnung, unsere größte Schalenwildart nachhaltig bejagen oder sogar einen kapitalen Hirsch erlegen zu können. So gibt es in Bayern amtlich bekannte Rotwildvorkommen von mindestens 20 Stück Rotwild auf 100 ha Wald, die mit hohem Aufwand gehegt und gepflegt werden. Dass der Wald bei dieser Rotwilddichte buchstäblich zusammengefressen und geschält ist, wird in Kauf genommen, durch Fütterung ausgeglichen. Amtlicherseits wird das nicht unterbunden. 

Das „Abknallen“ von jedem Stück Rotwild außerhalb der Rotwildgebiete ist demnach ebenfalls ein Märchen. Ganz abgesehen davon sind aber die Folgen dieser Ausbreitung nicht absehbar – angesichts des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf unsere Wälder sind sie vermutlich katastrophal. 

 

Rotwild in den Rotwildgebieten

 

Die Einrichtung der Rotwildgebiete sollte ein Rotwildmanagement ermöglichen, das Wald und Rotwild in Einklang bringt. Davon sind wir in Bayern meilenweit entfernt. Gerade in vielen Rotwildgebieten zeigt sich eine hohe Schadensträchtigkeit im Wald. Nicht nur in Teilen der Bayerischen Staatsforsten, die den größten Teil der Rotwildgebiete bejagen; dort versucht man mit Wintergattern dem Problem Herr zu werden. So hält man in der besonders schadensträchtigen Winterzeit das Rotwild wie Nutzvieh in Gattern. Eine fragwürdige Methode, vor allem dann, wenn dadurch die notwendige Reduktion unterbleibt. Dazu kommt die von manchen Verbänden forcierte strafrechtliche Verfolgung vom Abschuss führender Alttiere. Die Folge ist, dass die Rotwildbestände ansteigen. Und damit steigen auch die Schäden in den Wäldern. Letztere bräuchten wir aber angesichts des Klimawandels dringender denn je. So schraubt sich die bedrohliche Spirale der zunehmenden Rotwilddichte sehenden Auges immer höher. 

 

Was nun? 

 

Vor allem im nördlichen Bayern sind die klimabedingten Schäden im Wald riesengroß. Aber auch im Süden zeigen sich zunehmend klimabedingte Waldschäden. Zu dieser Entwicklung kommen in weiten Teilen Bayerns zu hohe Schalenwildbestände, vor allem Rehwild und Rotwild. Dadurch wird der Waldumbau gravierend beeinträchtigt. Dort, wo Pflanzungen aufgrund des Wassermangels kaum gelingen, bleibt als einzige Möglichkeit die Naturverjüngung. Auf deren eher klimastabilen Anteil, wie Eiche, andere Laubholzarten, teilweise die Tanne, ruhen die Hoffnungen für den Zukunftswald. 

Angesichts dieser dramatischen Lage müssen die wiederkäuenden Schalenwildarten dem Lebensraum angepasst werden. Hier müssten alle Revierinhaber, private wie die der BaySF, an einem Strang ziehen. Davon merkt man aber nicht viel. Man braucht ja nur das letzte Forstliche Gutachten von 2021 betrachten. Mindestens in 50% der Hegeringe ist der Verbiss zu hoch! Im Spessart und anderen Rotwildgebieten ist die Situation katastrophal.  

 

In dieser völlig unbefriedigenden Konstellation würden wir uns einen Bärendienst erweisen, die Rotwildgebiete aufzuheben. Es wäre fatal, wenn zum ohnehin schon zu hohen Verbiss bayernweit noch das Rotwild dazu käme, das durch Schälen auch ältere Bestände zugrunde richten kann. 

 

Mein Vorschlag deshalb: 

  • Die bayerischen Revierverantwortlichen zeigen zunächst einmal, dass sie in der Lage sind, in den Rotwildgebieten angemessene Bestände zu erreichen.
  • Und die Revierinhaber außerhalb der Rotwildgebiete bringen es fertig, das Rotwild zurückzudrängen. 

Erst wenn das gelingt, kann ernsthaft über die Ausweitung der Rotwildgebiete nachgedacht werden. 

 

Dr. Wolfgang Kornder 

(1. Vorsitzender ÖJV Bayern) 

 

 

Quellen: 

 

BJV: https://www.jagd-bayern.de/wp-content/uploads/2022/08/36-37_JiB_6_22_Rotwild.pdf

Wildes Bayern e.V.: Startseite - Hirschkuh Hanna lernt fliegen! (rettet-das-rotwild.de

Karte mit den Rotwildgebieten in Bayern: www.wildtierportal.bayern.de/mam/cms12/wildtiere_bayern/dateien/rotwildgebiete-in-bayern.pdf