Leserbrief zum Artikel „Hege ist auch eine Verpflichtung“ im Donaukurier vom 17./18. April 2025 (Inhalt steht nur kostenpflichtig zur Verfügung).
Mit bemerkenswerter Dreistigkeit spricht der Vorsitzende des Bayerischen Jagdverbands, Ernst Weidenbusch, staatlichen Institutionen Kompetenz und Neutralität ab. Nun ist aber Ernst Weidenbusch nicht irgendwer. Von einem langjährigen Volksvertreter – Weidenbusch saß unter anderem 20 Jahre für die CSU im Landtag – und Eigentümer einer renommierten Anwaltskanzlei würde ich mir in Zeiten immer stärkerer politischer Ränder mehr staatsbürgerliches Pflichtbewusstsein erwarten. Beim von ihm in Zweifel gezogenen Vegetationsgutachten handelt es sich um eine seit 40 Jahren bewährte und standardisierte Datenerhebung zum Wildverbiss. Die Daten dieses „Verbissgutachtens“ ermöglichen erst eine faktenbasierte Diskussion zu diesem Thema.
Die Ergebnisse dieses im dreijährigen Turnus stattfindenden Aufnahmeverfahrens sind allerdings jedes Mal niederschmetternd. So wird nur in drei Prozent der Hegegemeinschaften der Verbiss mit „günstig“
bewertet. Nur bei „günstig“ entstehen die bunt gemischten Wälder, die wir im Klimawandel so notwendig bräuchten. Das häufig als gut empfundene „tragbar“ schützt lediglich vor Kahlflächen. Das Verhalten des BJV-Vorsitzenden Weidenbusch erinnert mich demnach an einen lernunwilligen Schüler, der es leid ist, ständig mit mangelhaften und ungenügenden Zensuren konfrontiert zu werden. Nicht Willens, sich dem Klima anzupassen, fordert er stattdessen die Abschaffung der Zeugnisse.
Bürgermeister und WBV Vorsitzender Norbert Hummel (CSU) spricht von einem „meist gedeihlichen Miteinander“. Nun wird aber gerade in den Hegegemeinschaften Altmannstein und Pondorf beim forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung, so der offizielle Titel, der Wildverbiss als „dauerhaft zu hoch“ eingestuft. Das bedeutet, es entstehen nach Kalamitäten meist Kahlflächen. „Wachsen und gedeihen“ kann die nächste Waldgeneration rund um Altmannstein nur hinter wilddichten Zäunen. Die Zahlen sprechen für sich. So veräußert die WBV mittlerweile regelmäßig über 20 Kilometer Zaun pro Jahr. Die „Dunkelziffer“ an gezäunten Kilometern dürfte weitaus höher liegen. So kann man die robusten Drahtgeflechte nach Abbau meist wiederverwenden, auch wird nicht jeder Waldbesitzer seinen Zaun über die WBV beziehen.
Ein Vergleich, der diesen Wahnsinn verdeutlicht. Wäre die Gemeinde Riedenburg – mit rund 100 Quadratkilometern die flächenstärkste in ganz Niederbayern – quadratisch, würden 40 Kilometer Wildschutzzaun für eine einmalige komplette Umzäunung reichen.
Der Titel der Veranstaltung lautet Pflichttrophäenschau. Unter Androhung empfindlicher Strafen muss dort jedes Gehörn der im Jagdjahr erlegten Böcke vorgezeigt werden. Diese Pflichtveranstaltung kostet natürlich auch Steuergeld. Für den reibungslosen, dem bayerischen Jagdgesetz entsprechenden, Ablauf steht die Untere Jagdbehörde, eine Abteilung innerhalb des Landratsamts, in der Verantwortung.
Unser Jagdminister Hubert Aiwanger (FW) rechtfertigt diese Ausgaben mit der These, am Gehörn der Böcke sei der Zustand der gesamten Population ersichtlich. Dieser Schwachsinn ist längst wissenschaftlich widerlegt. In diesem Zusammenhang frage ich mich als Steuerzahler, warum wir uns an Bayerns Universitäten Wildbiologen und Forstwissenschaftler von Weltruf leisten, wenn deren Erkenntnisse von einem dem Knochenkult verfallen Jagdminister beharrlich ignoriert werden.
Zuallererst lässt der Lebensraum laut unseren Wissenschaftlern Rückschlüsse auf den Zustand unseres Wildes zu. Im gleichen Maße, wie der Parasitenbefall abnimmt, steigt in intakten Lebensräumen das Wildbretgewicht. Leitbild einer zeitgemäßen Jagd sollte daher nicht das männliche Gehörn sein, sondern natürlich verjüngte Wälder ohne Draht und Plastik. Letztlich zeigt der Wald, ob die Jagd stimmt.
Alexander Riepl, Thann