Nachruf für Ulrich Wotschikowski

Ulrich Wotschikowsky gestorben

Ulrich Wotschikowsky auf dem Wolfsseminar des ÖJV Bayern 2015 in Freising
Ulrich Wotschikowsky auf dem Wolfsseminar des ÖJV Bayern 2015 in Freising

Ulrich Wotschikowsky ist am 30.August 2019 nach langer schwerer Krankheit   mit 79 Jahren verstorben. Naturschutz  und die Wildbiologie verlieren mit ihm einen herausragenden Fachmann von hohem internationalem Rang.
Dem Ökologischen Jagdverein wird er als  außerordentlich kompetenter Ratgeber, rhetorisch glänzender, wortgewaltiger Referent fehlen. Unseren Verein hat er von der Gründung an- nicht unkritisch- mit seiner umfassenden Sachkenntnis unterstützt.

Wotschikowsky hat an der Ludwig Maximilians Universität in München Forstwissenschaften studiert. Er arbeitete zunächst als junger Forstbeamter am Nationalpark Bayerischer Wald, zuständig für Wildbiologie und Öffentlichkeitsarbeit und als stellvertretender Leiter des Parks. Dieser Park war damals noch Teil der Forstverwaltung. Seine ersten Untersuchungen widmete er der Raumnutzung von Rothirschen und der Bestandsentwicklung von Rehen. Mit großem Einsatz und Geschick organisierte er die Umsiedlung von Rotwild vom Bayerischen Wald in den Nationalpark Abruzzen wo die Rothirsche ausgerottet worden waren, die Wölfe aber überlebt hatten. Mit großem Zorn musste er beobachten wie die gerade eingebürgerten Luchse wieder aus dem Bayerischen Wald verschwanden.
Nicht ohne Selbstkritik aber stets unabhängig von einer Verwaltungsmeinung oder vom politischen Mainstream wurde es ihm in der bayerischen Forstverwaltung bald zu eng. Kurzfristig schrieb er als Redakteur bei  der Jagdzeitschrift „Jäger“ wurde aber bald zum freiberuflichen Wildbiologen. Dabei arbeitete er eng zusammen mit der Wildbiologischen Gesellschaft von München an verschiedenen Projekten zum Schalenwildmanagement.
Von 1983 bis 1992 leitete er die Jägerschule in Hahnebaum in Südtirol mit einem Forschungsschwerpunkt über die Rehe. Dabei entwickelte er hervorragende didaktische Unterlagen  und veröffentlichte wichtige Forschungsergebnisse zu dem Thema.
Den Schwerpunkt seiner Arbeit bis zum Ende seines Lebens widmete er den großen Raubtieren, vor allem den Wölfen, für die er mit großem persönlichen Einsatz warb. Wolfsforschung betrieb er an der Seite des kanadischen Wolfsforschers Bob Hayes dessen Buch „Wolfes of the Yukon“  er ins Deutsche übersetzte (Wikipedia). Als Mitglied der „Large Carnivore Initiative for Europe“ (LCIE) setzte er sich für den Schutz der 5 großen Beutegreifer Europäischer und Iberischer Luchs, Wolf, Bär und Vielfraß ein.
Am Ende war er ein führender, international anerkannter Experte in diesem Bereich.

Den Ökologischen Jagdverein begleitete er von der Gründung an mit sachkundigem Rat aber nicht unkritisch. Irritiert haben ihn vor allem unprofessionelle Aussagen zu wildbiologischen Themen. Auch wollte er stets den totalen Bruch mit anderen Organisationen der  Jägerschaft vermeiden. Bis zuletzt hat er uns aber mit Vorträgen bei Seminaren oder Veröffentlichung von Broschüren wie zum Gamswild und Ratschlägen zu verschiedenen Themen unterstützt. Sehr stark beeinflusst hat uns seine Meinung zur Zukunft von Luchs und Wolf in Deutschland.
Dem Verfasser dieses Nachrufs bleibt „Wotsch“ unvergessen seit wir mit unseren Hunden ein Zimmer im zweiten Stock der Nationalparkverwaltung in Grafenau im Bayerischen Wald teilten. Seitdem unterhielten wir mit großer persönlicher Sympathie einen ununterbrochenen fachlichen und persönlichen Dialog.

Dr. Klaus Thiele

„Ein Leben ohne Wildtiere wäre armselig“

Zum Tod von Ulrich Wotschikowsky

Von Eckhard Fuhr (Copyright: Die Welt)

Ein persönliches Wort zu Beginn: Ohne Ulrich Wotschikowsky wäre mein Leben anders verlaufen. Ich traf ihn zum ersten Mal vor ziemlich genau 25 Jahren bei den Recherchen zu meinem ersten Artikel über die Rückkehr der Wölfe in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Seitdem war das Gespräch nie abgerissen. Aus einem professionellen Kontakt wurde Freundschaft. Wir haben zusammen gejagt, vor allem aber haben wir über die Jagd, über Wildtiere, über Naturkonzepte in unserer Gesellschaft gesprochen. Mir als Kulturjournalisten öffnete das ganz neue Perspektiven. Ohne „Wotsch“, so nannten ihn seine Freunde, wären Jagd, Wildtiere und insbesondere die Wölfe nie zu den Lebensthemen geworden, die sie längst sind. Wenige Tage vor seinem Tod besuchte ich Ulrich Wotschikowsky noch einmal im Klinikum in Garmisch. Vom Tod gezeichnet war er völlig gelassen und frohen Mutes. Ein Leben ohne Wildtiere, sagte er einmal, wäre armselig. „Wotsch“ hat ein reiches Leben geführt, bis zur letzten Minute.
Geboren wurde er 1940 in der Nähe von Cottbus, also dort, wo 60 Jahre später die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland begann. Als Kind kam er mit seinen Eltern nach Bayern. Die Bergwelt Hohenschwangaus prägte seinen Blick auf die Natur. Doch in dem Waldläufer schlummerte auch ein Künstler. Wotsch spielte die Geige mehr als amateurhaft. Am Ende behielt der Naturmensch aber doch die Oberhand über den Musiker. Nach einem Studium der Forstwissenschaften, das ihn auch in die nordischen Wälder Schwedens führte, trat er in den bayerischen Forstdienst ein und wurde 1973 stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald. Er war allerdings nicht der Typ für eine Karriere im Öffentlichen Dienst und beharrte im Streit über die Entwicklung des Parks auf seiner Position, dass Naturschutz unbedingt Vorrang vor touristischen Überlegungen haben müsse. 1978 schied er aus dem Staatsdienst aus, arbeitete als Redakteur bei einer Jagdzeitschrift und seit den Achtzigerjahren als Wildbiologe, zunächst als Mitglied der Wildbiologischen Gesellschaft München e.V., schließlich ganz freiberuflich. Heute sind freiberufliche Wildbiologen, sind wildbiologische Beratungsbüros nichts Besonderes mehr. Wotschikowsky war in Deutschland einer der Pioniere dieses Berufszweiges.
Die Nachfrage nach wildbiologischer Expertise schnellte mit der Rückkehr der großen Beutegreifer Wolf, Luchs und Bär in die Höhe. Managementpläne mussten geschrieben, Naturschutz- und Jagdbehörden beraten werden. Wotschikowsky, der auch im kanadischen Yukon über Wölfe und ihre Beutetiere forschte, erwarb sich den Ruf eines führenden Experten auf diesem Gebiet. Die Wolfsmanagementpläne der deutschen Bundesländer tragen seine Handschrift. Ulrich Wotschikowsky hinterlässt eine große Lücke, er hat aber auch den Boden dafür bereitet, dass auch in Deutschland das Wildtiermanagement heute auf einer breiten professionellen Basis ruht. Ulrich Wotschikowsky starb am 30. August 2019 nach schwerer Krankheit.