Bachelorarbeit zur Jagd mit dem Klettersitz

Der Einsatz von Kletter-sitzen - Befragung von Experten und Nutzern zu Erfahrungen in der jagdlichen Praxis - Von Robin Schmid

(Bild: Robin Schmid)
(Bild: Robin Schmid)

Die Jagd in Wäldern wird durch den Waldumbau hin zu deckungsreichen, strukturierten Mischbeständen immer anspruchsvoller [1]. Herkömmliche, standortsfeste Jagdeinrichtungen bieten häufig nur sehr eingeschränkte Chancen zum Schuss zu kommen. Daneben sprechen auch wildbiologische Erkenntnisse für eine schwer-punktmäßigere und flexiblere Bejagung des Schalenwildes [3].

Diese Flexibilität, welche der Klettersitz bietet, nutzen seit über 50 Jahren Bogenjäger in Nordamerika, um kurze Schussdistanzen bei der Jagd zu ermöglichen. Auch im deutschsprachigen Raum nutzen einzelne Jagende den Klettersitz bereits seit 15 Jahren, jedoch zur Jagd mit der Büchse.

 

Da der Klettersitz bis heute eher eine Randerscheinung ist und Erfahrungen auf Einzelpersonen und kleine Gruppen konzentriert sind, verwundert es nicht, dass Medien bzw. Literatur zur Information über Klettersitze nur beschränkt verfügbar sind. Einzelne Zeitschriftenartikel (u.a. Ökojagd-Artikel), Erfahrungsberichte und Videos auf Internetplattformen bieten für Interessierte keine umgreifende Information. Die Abwägung von Vor- und Nachteilen und Bewertung von Einsatzbereichen ist so nicht umfassend möglich. Auch Anforderungen zur sicheren Nutzung von Klettersitzen sind undurchsichtig. 

Die Zielsetzung der im Folgenden vorgestellten Bachelorarbeit war es, vorgenannte Wissenslücken zu schließen. Dazu wurden Erfahrungen von 25 Experten und 401 Klettersitznutzern gebündelt und anhand von wissenschaftlichen Methoden erstmals fundierte Ergebnisse erarbeitet.

 

Stand des Wissens

 

„Der Klettersitz […] ist ein tragbares, mobiles und flexibel einsetzbares zweiteiliges Klettergerät aus Metall, welches zur Jagd bei Ansitz- oder Drückjagden zum Besteigen von Bäumen genutzt wird und so als temporärer Hochsitz dient.“ 

Mit dieser Definition kann die Nutzung des Klettersitzes knapp umschrieben werden. Anleitungen und Beschreibungen, wie man den Klettersitz sicher nutzt gibt es viele. Vor allem die Form von Videos eignet sich dafür gut. Daher wird nun nicht tiefergehend auf die Nutzung eingegangen. Dabei soll für Interessierte auf die Betriebsanweisungen der verschiedenen Hersteller und Videos verwiesen werden.

 

Wichtig im Kontext rund um den Klettersitz ist das Thema Sicherheit. Die Berufsgenossenschaft SVLFG beschreibt in Ihrer Broschüre zum Klettersitzeinsatz Gefahren, die von der Höhe, der unorganisierten Höhenrettung sowie vom Anwender selbst ausgehen [4]. Diese Gefährdungsbeurteilung unterscheidet sich dabei nicht von den geltenden Regelungen verschiedener (Forst-)Betriebe. Daher ist das Tragen einer Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz obligatorisch (Bild 1). Ebenfalls muss ein abgestimmtes (Höhen-)Rettungs- sowie Kommunikationskonzept vorhanden sein und Rahmenbedingungen abgesichert werden, vor allem bezüglich des Kletterbaumes [4]. Geltende Vorgaben sind Betriebsanweisungen der jeweiligen (Forst-)Betriebe zu entnehmen. 

 

(Bild: Robin Schmid) Bild 1
(Bild: Robin Schmid) Bild 1

Klettersitz mit Sicherungsgurten und vollständiger PSAgA [2] bestehend aus Klettergurt, Abseilgerät mit Paniksicherung, Kletterseil, Anschlagmittel und Verbindungselementen. Die PSAgA muss für den betrieblichen Gebrauch jährlich von einem Fachkundigen geprüft werden.

Nach §123 Sozialgesetzbuch VII berufsgenossenschaftlich Pflichtversicherte, also alle Jagende ausgenommen Jagdgäste und Begehungsscheininhaber, sind ebenfalls verpflichtet, die Höhentauglichkeit ärztlich nachzuweisen und eine jährliche Unterweisung durchzuführen [4, 5]. 

Für die nicht pflichtversicherten Jagenden gelten grundsätzlich einzig die Standards, die der Hersteller in der Betriebsanweisung seines Produkts festlegt. Es können hier ebenfalls höhere Standards, wie oben genannt, gefordert werden, wenn das der pflichtversicherte (Forst-)Betrieb in seinen Jagdgrenzen fordert. Das sollte im Zweifel mit den Ansprechpartnern abgeklärt werden.

Fachliche Kenntnisse rund um den Klettersitz können in Form von Lehrgängen übermittelt werden. Dafür soll an dieser Stelle eine Empfehlung ausgesprochen werden. 

 

Material und Methoden

 

Zu Beginn wurde als Grundlage für die Untersuchung eine Literaturrecherche durchgeführt. Anhand dieser theoretischen Grundlage konnten Fragestellungen identifiziert werden, die das Wissen erweitern können. Mit diesen Fragen konnte im ersten Schritt ein Fragebogen erstellt werden, der zur schriftlichen Experten-Befragung per E-Mail genutzt wurde. Die Experten wurden im Vorfeld durch definierte Kriterien ausgewählt.  Darauffolgend wurde eine Online-Umfrage durchgeführt, die das Ziel verfolgte mit einem kürzeren Fragebogen, aussagekräftige, quantitative Daten zu erheben. Während den Umfragen konnten 25 Experten und 401 Klettersitznutzer erfolgreich befragt werden. Mit der sehr großen Stichprobe der Klettersitznutzer können für die Zielgruppe allgemeine Aussagen getroffen werden (Fehlerspanne: 5%).

 

Befragte Experten und Klettersitznutzer

 

Die 25 Teilnehmer der Experten-Befragung waren zwischen 27 und 65 Jahre alt, ihr mittleres Alter lag bei 44,04 Jahren. Dabei nutzten die Experten den Klettersitz bereits seit minimal zwei und maximal 15 Jahren. 60% der Experten gaben an, den Klettersitz bei über 50% ihrer jagdlichen Aktivitäten zu nutzen. Alle Experten nutzen den Klettersitz bei der Drückjagd, 14 daneben auch bei der Ansitzjagd.

 

Bei der Online-Befragung mit 401 Teilnehmern (5% weiblich, 95% männlich) wurden Personen im Alter zwischen 18 und 70 Jahren befragt. Das mittlere Alter betrug hier 40,81 Jahre. Die Klettersitz-Nutzungsdauer der Befragten betrug einen Monat bis 37 Jahre, im Mittel 2,95 Jahre. 61% der Klettersitznutzer nutzen den Klettersitz bei maximal 25% ihrer jagdlichen Aktivitäten. 81,3% der Befragten nutzen den Klettersitz bei der Drückjagd, 73,3% zum Einzelansitz. 52% der Befragten hatten zum Zeitpunkt der Umfrage an einem Klettersitzlehrgang teilgenommen. Von den 401 befragten Klettersitznutzern hatten 10 Personen (2%) angegeben, bereits einen Notfall in Form eines Sturzes in den Klettergurt erfahren zu haben. Daneben kennen 62% der Befragten ein ausgearbeitetes Rettungskonzept für die gesamte Rettungskette.

 

Vergleicht man die demografischen Zahlen mit der repräsentativen, demografischen Erhebung des Deutschen Jagdverbands aus dem Jahr 2022 ergeben sich folgende Schlüsse:

  • Der Altersdurchschnitt der Klettersitznutzenden liegt mit 40,81 Jahren deutlich unter dem Altersdurchschnitt von 56,3 Jahren bei der DJV-Umfrage.
  • Mit 5% weiblichen Befragten liegt der Frauenanteil deutlich unter der in der DJV-Umfrage erhobenen Zahl von 11%.

Für die Praxis

 

Auf Grundlage der Ergebnisse lassen sich die Forschungsfragen zu Vor- und Nachteilen, dem Einsatzbereich und der Umsetzung des sicheren Klettersitzeinsatzes fundiert beantworten.

 

Vorteile der Klettersitznutzung:

  • Leichter Einstieg in die Klettersitznutzung.
  • Der Klettersitz ist ergonomisch und komfortabel für längere Ansitze.
  • In der stehenden Position sind Schüsse in alle Richtungen möglich.
  • Das Wild verhält sich ruhiger und sichert kaum nach oben. Der Wind spielt aber weiterhin eine Rolle.
  • Die Nutzung von Klettersitzen erspart Zeit- und Kostenaufwand für Jagdinfrastruktur.
  • Bessere Übersicht in unübersichtlichen Situationen und verbesserter Kugelfang.
  • Starke räumliche Flexibilisierung, die neue Möglichkeiten bei der Jagd ermöglichen. 

Nachteile der Klettersitznutzung: 

  • Die Klettersitznutzung ist körperlich anstrengend und aus jagdlicher Sicht laut.
  • Der Transport der gesamten Ausrüstung zum Kletterbaum ist aufwendig.
  • In der sitzenden Position sind Schüsse nicht in alle Richtungen möglich.
  • Umweltfaktoren wie Frost und Dunkelheit schränken die Nutzung ein.
  • Es entstehen Schäden am Kletterbaum.
  • Sicherheitsvorgaben erfordern zusätzlichen Organisationsauf-wand und erhöhen die Anforderungen an die Nutzer von Klettersitzen.

Die oft im Zusammenhang mit der Thematik Klettersitz hervorgebrachte Kritik der erhöhten Fehlschussquoten aufgrund von Treffpunktverlagerung und Wildbretentwertungen durch spitzere Schusswinkel aus der Höhe wurden bei Umfrage nicht bestätigt. Es wurden insgesamt auch keine besonders verkürzten Schussdistanzen beobachtet.

 

Der Einsatzbereich des Klettersitzes wird durch die Verfügbarkeit von geeigneten Kletterbäumen beschränkt. Ist diese Vorrausetzung gegeben, kann der Klettersitz für alle Jagdarten eingesetzt werden. Mit den genannten Vor- und Nachteilen können Einsatzzwecke, für die der jeweilige Nutzer den Klettersitz nutzen möchte, abgewogen werden. Besonders gut eignet sich der Klettersitz für Gesellschaftsjagden, speziell für die Drückjagd. Die genannten Nachteile spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle und die Vorteile, wie Übersicht, Kostenersparnis oder verbesserten Kugelfang und damit Sicherheit, überwiegen. Daneben kann der Klettersitz durch die erhöhte Sicherheit bei der Schussabgabe gut in urbanen Räumen und flachem Gelände eingesetzt werden. Auch schwer erschließbare Gebiete können mit dem Klettersitz flexibel bejagt werden. Der Klettersitz sollte dabei nicht als Ersatz für herkömmliche Jagdinfrastruktur gesehen werden, eher als wertvolle Ergänzung und Werkzeug, welches auch neue Möglichkeiten eröffnet.

 

Die Umsetzung des sicheren Einsatzes ist mit den aktuellen Vorgaben möglich. Die Arbeit brachte für die Praxis keine neuen Erkenntnisse hervor, jedoch zeigt sich, dass die Vorgaben sowie die Rahmenbedingungen zum Klettersitzeinsatz optimiert werden sollten. Die Vorgaben der verschiedenen (Forst-)Betriebe unterscheiden sich und ergeben ein breites und unklares Bild. Das macht es für den jeweiligen Anwender in der Praxis schwierig, diese Vorgaben zu überblicken. Um die Umsetzbarkeit, die Kenntnis und auch die Akzeptanz der Vorgaben zu verbessern, sollten diese standardisiert werden. Des Weiteren können mit standardisierten Vorgaben vergleichbare Lehrgänge angeboten werden, die neben der Sachkunde zur sicheren Klettersitznutzung auch Inhalte zu Rettungskonzepten vermitteln sollten. Diese Vergleichbarkeit würde es ermöglichen, einen Kenntnisstand des jeweiligen Anwenders von Klettersitzen vorauszusetzen, um auf eigenverantwortliches Handeln des Klettersitznutzers vertrauen zu können. Um neben Anwendungsfehlern auch die Gefahr des Materialversagens zu minimieren, sollte auch über eine Prüfung für den Klettersitz diskutiert werden.

 

Dank

 

Besonderer Dank möchte ich an Herrn Prof. Dr. Thorsten Beimgraben (Hochschule für Forstwirtschaft Rot-tenburg) und Herrn Sebastian Berger für die Betreuung und Unterstützung meiner Bachelorarbeit richten. 

Danken möchte ich auf diesem Wege ebenfalls allen Experten und Klettersitznutzern, die an den Befragungen teilgenommen haben. Nur mit dieser erfreulich hohen Resonanz konnten die Ergebnisse mit dieser Aussagekraft und Qualität entstehen. In diesem Kontext gilt auch der Dank an alle Personen und Organisationen, die sich aktiv an der Verbreitung der Umfrage beteiligt haben. Hervorheben möchte ich dabei den ÖJV Bayern, der eine großartige Unterstützung bot, um möglichst viele Klettersitznutzer zu erreichen. 


Hinweis

 

Auf Anfrage per E-Mail sende ich Interessierten gerne eine Dateikopie der Arbeit im Gesamten zu. Die Ergebnisse werden darin detaillierter dargestellt und enthalten deutlich mehr Informationen, vor allem zum Bereich der Umsetzung des sicheren Klettersitzeinsatzes, welcher in der vorgestellten Zusammenfassung nicht thematisiert wurde. Darin befindet sich zudem das vollständige Literaturverzeichnis. Melden Sie sich gerne unter der E-Mail-Adresse: bachelorarbeitklettersitz@yahoo.com 

 

Literaturverzeichnis für den Beitrag:

[1] BMEL: Waldstrategie 2050 : Nachhaltige Waldbewirtschaftung – Herausforderungen und Chancen für Mensch, Natur und Klima. Bonn, 2021 

[2] DGUV: DGUV Regel 112-198 : Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz. Berlin, 09/2019 

[3] LANZ, Johann David ; GODT, Jochen: Wildbiologische und Bejagungstechnische Grundlagen für die Erstellung von Wildmanagementplänen. Kassel, 2018 

[4] SVLFG: Sicherer Einsatz von Klettersitzen. Kassel, 2021 (Aktuelles zu Sicherheit und Gesundheitsschutz B46) 

[5] SVLFG: Arbeitsmedizinische Vorsorge und Eignungsuntersuchung. Kassel, 05/2021 (Aktuelles zu Sicherheit und Gesundheitsschutz B45)