„Wildtierschutz bei der Mahd“ – Ein Ratgeber zur Rettung von Jungwild und Wiesenvögeln

(Deutsche Wildtierstiftung 3. Auflage 2023, digital: WILDTIERSCHUTZ BEI DER MAHD als PDF ) 

 

Vor kurzem hat die Deutsche Wildtierstiftung den Ratgeber mit oben genanntem Titel veröffentlicht, zu dem wir gerne ein paar kritische Anmerkungen abgeben möchten. Eines im Voraus: Der Tierschutz ist dem ÖJV Bayern ein großes Anliegen, allerdings bedarf es für den Tierschutz auf landwirtschaftlichen Flächen praxisnaher Lösungen.

 

Drohung mit dem Strafgesetz – „vernünftiger Grund“ zum Töten

 

Beim Lesen des Ratgebers kommt der Eindruck auf, dass unsere Landwirte die Tötung von Wildtieren bei der Mahd billigend in Kauf nehmen, so lautet eine Bildunterschrift unter einem Traktor mit Mähwerken wie eine Drohung: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet“. Kein Landwirt tötet gerne ein Wildtier bei seiner Arbeit – neben den psychischen Folgen muss der Landwirt auch mit den wirtschaftlichen Auswirkungen und den eventuellen Folgen von Tierkadavern im Futter, welche zu einer Vergiftung (Botulismus) führen kann, leben. Beim Lesen dieses Satzes kommt mir auch der Gedanke, wie unterschiedlich der Tierschutz ausgelegt wird. So wird hier dem Landwirt Strafe angedroht, wenn er bei der Ausführung seiner Arbeit versehentlich ein Wildtier tötet. Überfahre ich ein Reh im Straßenverkehr, so wird mir mein Schaden von der Kaskoversicherung bezahlt, und das sogar, wenn ich mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs bin. Und ein weiterer Gedanke: Ist eigentlich die Jagd auf die Trophäe ein „vernünftiger Grund“, ein Tier zu töten?  

 

Konkrete Maßnahmen

 

Als erfolgversprechendste Maßnahme zur Vermeidung des Mähtods bei Wildtieren wird im Ratgeber eine späte Mahd des ersten Schnittes ab 15. Juni oder besser 1. Juli angegeben. Dies ist praxisfern, weil die meisten Grünlandbetriebe auf junges und somit eiweißreiches Gras als Grundfutter angewiesen sind. 

Die erfolgversprechendste, im Ratgeber der Wildtierstiftung nirgends angegebene Maßnahme zur Vermeidung des Mähtods bei Rehkitzen ist die Anpassung der Rehwildbestände auf ein lebensraumverträgliches Maß. Viele Landwirte und Revierinhaber können aus der Praxis bestätigen, dass in Gebieten, wo aufgrund angepasster Wildbestände die Naturverjüngung artenreich aufwächst, deutlich weniger Kitze in den Wiesen liegen. Der Jäger hat also maßgeblichen Einfluss auf diese Situation und sollte genauso in die Verantwortung genommen werden wie der Landwirt. 

 

(Bild: Dr. W. Kornder) Der Landwirt hat am Vorabend die Wiese mit einem Mähstreifen und dazu einen Streifen in der Mitte (rechts noch sichtbar) angemäht, damit die Geißen nachts ihre Kitze aus der Wiese holen.
(Bild: Dr. W. Kornder) Der Landwirt hat am Vorabend die Wiese mit einem Mähstreifen und dazu einen Streifen in der Mitte (rechts noch sichtbar) angemäht, damit die Geißen nachts ihre Kitze aus der Wiese holen.

Ein guter Ratschlag für die Insekten, aber in der Praxis ebenfalls leider schwer oder nicht umzusetzen, ist auch die Empfehlung zur Wahl des richtigen Schnittzeitpunktes: So soll tagsüber nicht gemäht werden, um die Insektenwelt zu schonen, im nächsten Absatz wird aber schon beschrieben, dass auch nachts nicht gemäht werden soll, weil dann die Gefahr zu groß ist, Wildtiere mit der Arbeitsbeleuchtung des Traktors zu blenden und Nachtfalter anzulocken. 

Auch die empfohlene Schnitthöhe von 10 bis 15 cm ist nicht besonders praxisnah, da bei so einem hohen Schnitt die Folgearbeiten wie Zetten (Wenden) und Schwaden erschwert werden und vor allem der Ertrag deutlich zurückgeht. 

 

Sinnvoll hingegen ist die Feststellung, dass es eine intensive Zusammenarbeit zwischen Jägern, Wiesenvogelschützern und Landwirten braucht, um einen optimalen Tier- und Artenschutz zu gewährleisten. Liest man allerdings den Ratgeber, so scheint es, als ob hier die Vertreter der Landwirte nicht beteiligt waren – sonst wäre das Ganze wohl etwas praxisnäher ausgefallen. 

(Bild: Dr. W. Kornder) Direkt vor der Mahd findet man Kitze am besten mit einer Drohne und kann sie dann heraus nehmen.
(Bild: Dr. W. Kornder) Direkt vor der Mahd findet man Kitze am besten mit einer Drohne und kann sie dann heraus nehmen.

Fazit

 

Wir begrüßen die Entwicklung der letzten Jahre, in denen sich der Tierschutz auf landwirtschaftlichen Flächen durch eine Sensibilisierung der Landwirte, sowie durch den zunehmenden Einsatz von Drohnen und anderer Maßnahmen zur Wildtierrettung wesentlich verbessert hat. Allerdings sollte eine praxisnahe Umsetzbarkeit und die Verhältnismäßigkeit stärker mit ins Kalkül gezogen werden. 

Wenn der Schutz von Tieren (Säugetiere, Vögel + Insekten) rigoros eingefordert wird, braucht man keine Wiese mehr mähen – auch nicht nach dem 1. Juli!

Allerdings müssten dann aufgrund des Gebotes der Verhältnismäßigkeit die Verluste durch den Straßenverkehr auch durch entsprechende Fahrverbote geahndet werden, denn in Bayern wurden im Jagdjahr 2021/22 fast 55.000 Rehe als Fallwild gemeldet, davon der größte Teil aufgrund des Verkehrs. Und ob es dann noch erlaubt sein kann, dass in unseren Städten Ratten vergiftet werden, müsste ebenfalls in Frage gestellt werden.  

 

Dr. Wolfgang Kornder (1. Vorsitzender ÖJV Bayern)

Stefan Strasser (Fachreferent)