Die Rückkehr des Wolfes

Debatte und Herausforderungen aus Sicht der erwerblichen Schafhaltung von Andreas Schenk, Beitrag aus der Ökojagd 2 - 2019

 

Im Jahr 2000 begann die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland mit der Ansiedlung eines Rudels in Sachsen. Seitdem hat sich der Wolf im Bundesgebiet ausgebreitet. Die deutsche Bevölkerung steht ihm

insgesamt positiv gegenüber, während ihn Teile der Landbevölkerung mit Sorge und Angst betrachten. Besonders betroffen sind Halter von Weidetieren in Wolfsgebieten.

Im Konflikt zwischen Stadt und Land ist der Wolf zum Gegenstand einer intensiven gesellschaftlichen Debatte geworden: Natur- und Tierschützer, landwirtschaftliche Tierhalter und betroffene Bürgerinnen

und Bürger stehen sich zuweilen unversöhnlich gegenüber. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle Situation, die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die ökonomischen Belastungen

für die Weidehalter. Der Autor entwickelt aus der Sicht der Berufsschäferei Vorschläge, wie in Zukunft mit dem strittigen Thema Wolf umzugehen ist, um einen weitest möglichen Interessensausgleich und eine

Befriedung der Lage wieder herzustellen.

Es geht um pragmatische Lösungen für das Zusammenleben von Weidetieren und Wolf. Lösungen, die Weidetierhaltung und Artenschutz nicht gegeneinander ausspielen, sondern geltendes Recht ausschöpfen und so den drohenden Zusammenbruch der – auch aus Naturschutzgründen unverzichtbaren – Schäferei in Deutschland verhindern sollen.

 

In Deutschland wurden beim offiziellen Monitoring im Jahr 2016/2017 Wolfsrudel außer in Brandenburg (22) und Sachsen (14) auch in Sachsen-Anhalt (11), Niedersachsen (10) und Mecklenburg-Vorpommern (3) nachgewiesen. Wolfspaare ohne Reproduktion wurden in Brandenburg (3), Sachsen (4), Niedersachsen (4) und Bayern (2) bestätigt; territoriale Einzelwölfe in Thüringen (1) und Niedersachsen (2). In sechs weiteren Ländern wurden durchwandernde Wölfe nachgewiesen: Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hessen.

 

Das Monitoring der Population liegt bei den Bundesländern. Auf Bundesebene werden die Ergebnisse durch die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf zusammengefasst.

Die Populationsdaten werden nur auf Ebene von Rudeln und territorialen Einzeltieren veröffentlicht. Angaben zur Gesamtpopulation sind nicht verfügbar. Der Wolf war 2016/2017 in allen Flächenländern präsent. Er ist eine gesamtdeutsche und gesamtgesellschaftliche Herausforderung.

 

Rechtsrahmen 

Die gesellschaftliche Debatte zum Wolf ignoriert teils das europäische und deutsche Artenschutzrecht. Verschiedene der diskutierten Lösungsansätze wären erst nach langwierigen Rechtsetzungsprozessen umsetzbar.

 

Europa

Der Wolf ist auf europäischer Ebene durch die Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) geschützt. Er ist Anhang IV zugeordnet und gilt damit als streng geschützte Art. Daher ist es nach Artikel 12 (1) verboten, Wölfe zu töten, zu fangen oder zu stören. Ausnahmen von diesen Verboten sind nach Artikel 16 (1) 

nur im Einzelfall zulässig, sofern drei Bedingungen erfüllt sind:

  • Es muss mindestens einer der bezeichneten Ausnahmegründe vorliegen, beispielsweise die Abwehr von ernsten Schäden für Eigentum oder Artenschutz,
  • der günstige Erhaltungszustand darf nicht gefährdet werden und
  • es darf keine andere zufriedenstellende Lösung geben.

Deutschland

In Umsetzung der FFH-Richtlinie gilt der Wolf nach § 7 (1) Bundesnaturschutzgesetz als besonders und streng geschützte Art. In der Folge ist es nach § 44 (1) verboten, Wölfe zu töten, zu verletzen, zu stören, zu fangen oder ihnen nachzustellen. Ausnahmen von diesem Schutz sind nach § 45 (1) nur im Einzelfall

zulässig. Die Voraussetzungen dafür entsprechen den europäischen Vorgaben und gehen teils darüber hinaus. So genügt es für eine Ausnahme nicht, wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt, sondern es darf überhaupt keine zumutbare Alternative geben. 

Die Genehmigung von Ausnahmen ist Sache der zuständigen Landesbehörden. Zur Regelung von Ausnahmen können die Länder Rechtsverordnungen erlassen. Brandenburg hat 2018 als erstes Bundesland diese Möglichkeit genutzt. Auch das Wolfsmanagement im Rahmen des Artenschutzrechts ist Ländersache. Dort wird es über Wolfsmanagementpläne und Landesrecht geregelt.

 

Der Wolf als gesellschaftliches Thema

Die gesamtdeutsche Dimension des Themas Wolf zeigt sich auch in seiner politischen Bearbeitung. In

dem 2018 auf Bundesebene geschlossenen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wurde ein

Absatz zur Weidetierhaltung aufgenommen. Dieser Text beschäftigt sich ausschließlich mit dem Wolf. Die von den betroffenen Verbänden deutlich angemahnte ökonomische Krise des Sektors wird jedoch nicht angesprochen.

Auch im Deutschen Bundestag war der Wolf bereits Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen, in einer Entschließung, zwei Plenardebatten sowie einer Anhörung und einem Fachgespräch in den zuständigen Ausschüssen.

 

In der gesellschaftlichen Debatte haben sich zwei Grundpositionen herausgebildet:

  • Position A: Wolf als Teil der Natur, Koexistenz durch Interessensausgleich, Prävention durch Anwendung und Weiterentwicklung von Herdenschutz, reaktive, selektive Tötung von auffälligen Wölfen, Ausschöpfung des geltenden Rechts, Anerkennung des notwendigen Schutzstatus. Vertreter (Auswahl): B90/GRÜNE, LINKE, SPD, Verbändeplattform (BVBS, VFD, ÖJV, NABU, WWF, BUND, IFAW, DTSchB)10, ABL, BÖLW11.
  • Position B: Wolf als Eindringling und Gefährder, Ablehnung der Koexistenz, Prävention durch nicht-selektive Bejagung, Einrichtung wolfsfreier Zonen, Änderung des geltenden Rechts, Absenkung des Schutzstatus. Vertreter (Auswahl): CDU, FDP, AFD, Verbändeplattform (DBV, DJV, DLG, VDL …).
  • Schnittmenge A & B: Weidetierhaltung ist kulturell und ökologisch wertvoll, Herdenschutz ist mit den heutigen Mitteln nicht überall möglich, Herdenschutz und Rissfolgen müssen umfassend durch staatliche Beihilfen ausgeglichen werden, Tötung von Wölfen, die Herdenschutz überwinden oder Menschen gefährden.

Die Europäische Kommission hat eine Änderung des Artenschutzrechts zum Wolf ausdrücklich abgelehnt. Daher wird sich die politische Diskussion vermutlich zumindest fachlich auf die Ausschöpfung

des geltenden europäischen Rechts konzentrieren. Darauf weisen auch die im Oktober 2018 eingebrachte Bundesratsinitiative der Länder Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen sowie die Beschlüsse der 91. Umweltministerkonferenz im November 2018 hin. [...]

 

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Beitrag aus der Ökojagd 2 - 2019
ÖkoJagd 2-2019 S. 25 - 30 Die Rückkehr d
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