Mit Georg Meister auf den Weg zum Naturnahen Wald
"Die Zukunft des Waldes - warum wir ihn brauchen, wie wir ihn retten."
Unter diesem Titel erschien vor kurzem im Westend-Verlag ein großformatiges, reich bebildertes Buch des vielfach ausgezeichneten Forstmannes Georg Meister. Es ist ein sehr politisches Buch und
ein leidenschaftlicher Aufruf des unermüdlichen Kämpfers für den naturnahen Wald. Seit sechzig Jahren ist seine Devise: „Wir wollen naturnahe Wälder. Dafür müssen wir vom Naturwald lernen und dem
Grundsatz Wald vor Wild Geltung verschaffen. Wenn wir das tun, können wir die vielen instabilen Kunstwälder mit geringem finanziellem Aufwand in zukunftsfähige Mischwälder umbauen und damit dem
Anspruch auf eine umfassende Nachhaltigkeit gerecht werden.“
Schon einmal im Jahr 2004 hat der Autor zusammen mit der Journalistin Monika Offenberger unter der Überschrift „Die Zeit des Waldes“ einen Text- und Bildband zu diesem Thema verfasst. Nun nach
mehr als 11 Jahren greift er das Thema erneut auf und präzisiert seine Darstellung und konkretisiert seine Forderungen an die Politik.
Unter der Überschrift „Deutschlands Naturwälder“ beschäftigt sich der Autor im einleitenden Kapitel mit den Wäldern, die in grauer Vorzeit unser Land bedeckten. Es waren überwiegend Buchenwälder,
denen je nach Standort Eichen, Ulmen, Eschen oder Tannen beigemischt waren. Er beschreibt die Wachstumsstadien dieser Wälder, die Artenvielfalt von Flora und Fauna, und wie Reh und Hirsch in
diesen Wäldern trotz Bär, Wolf und Luchs überlebten.
Danach wird der Leser mit den wichtigsten Daten und Fakten der Waldgeschichte vertraut gemacht. Erinnert wird unter anderem an die Rodung der Urwälder und an ihre Umwandlung in Äcker, Wiesen und
Weiden, an den Wald als Lieferant für Brenn-, Bau-, Werk- und Möbelholz, an die Nutzung des Waldes als Viehweide und nicht zuletzt an die herrschaftliche Jagd, für die in den Wäldern große
Rot-und Schwarzwildbestände herangehegt wurden.
In Wort und Bild wird dann gezeigt, wie mit der Zunahme der Bevölkerung ab dem 18. Jahrhundert die Wälder mehr und mehr zerstört wurden und sich vielfach in baumlose Viehweiden
verwandelten, die dann im 19. Jahrhundert überwiegend mit Fichten und Kiefern wieder aufgeforstet wurden. An die Stelle des ursprünglichen Laubwaldes traten so künstliche Nadelholzforste, die wir
heute allenthalben antreffen. Dabei zeigt der Autor an vielen Beispielen, dass die später beabsichtige Umwandlung der so entstandenen Nadelwälder in Mischwälder mit Laubholz, am Verbiss der
von den Jägern heran gehegten Rot- und Rehwildbestände scheiterte.
Welche Wälder wollen wir für die Zukunft? Georg Meister beantwortet die Frage, mit einem Zitat von Bertolt Brecht: Der Wald soll eine „grüne Menschenfreude“ sein. Wer will dem widersprechen? Wo
doch allenthalben außerhalb des Waldes in der freien Landschaft inzwischen das Grün schrumpft und eintönigen Industrie- und Gewerbegebieten, Einkaufszentren und breiten Verkehrswegen Platz
macht.
Es geht ihm aber nicht nur um den Wald als Erholungsraum. Wälder sind CO2-Speicher, bieten Schutz vor Erosion, Steinschlag und Lawinen, sind Trinkwasserreservoir, dienen dem Hochwasserschutz, der
Luftreinhaltung und der Produktion des nachwachsenden Rohstoffes Holz. Alle diese Ansprüche an die Wälder behandelt der Autor und begründet die These: Naturnahe Mischwälder werden diesen
Forderungen am besten gerecht. Nicht zuletzt leidet der naturnahe Wald weit weniger unter den Folgen der Klimaerwärmung. Wie die Erfahrung zeigt, können solchen Wäldern Sturmwurf, Dürre und
Insektenkalamitäten weniger anhaben als reine Nadelholzbestände.
Was ist zu tun, damit Wälder entstehen können, die den vielfältigen gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht werden? Diese Frage steht im Mittelpunkt des Buches. Der Autor beantwortet sie mit 10
Forderungen, die sich überwiegend an die Politik teilweise aber auch an die Forstleute und an die Waldbesitzer richten. Da sie dem erfahrenen Forstmann besonders wichtig sind, sei es dem
Rezensenten erlaubt, die wichtigsten dieser Anliegen kurz darzustellen. Er will,
Wir alle, die wir den Wald lieben, sind aufgerufen, daran mitzuarbeiten, dass möglichst viele der Forderungen, die der Autor in seinem lesenswerten Buch aufgeschrieben hat, erfüllt werden.
Geschieht es, ist es um die Zukunft des Waldes und seine Rettung nicht schlecht bestellt.
Georg Meister plante in den 70-er Jahren im Auftrag der bayerischen Staatsregierung den Nationalpark Berchtesgaden und leitete danach fast 20 Jahre das Gebirgsforstamt Bad Reichenhall. Die
Erhaltung und Schaffung naturnaher Mischwälder ist sein großes Ziel, auf das er - nun schon über 20 Jahre im Unruhezustand - unermüdlich hinarbeitet. Für seine Verdienste wurde er mit der
Cotta-Medaille und dem Bruno H. Schubert-Preis ausgezeichnet. 2011 erschien bei Westend seine Biographie „Tatort Wald“ von Claus-Peter Lieckfeld.
Heiner Grub, Tübingen, 9. Juni 2015