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Buchbesprechung:

Hege

Kritisch hinterfragt

Bruno Hespeler

Österreichischer Jagd- und Fischerei-Verlag
2019, 302 Seiten


Hege ist nicht gleich Hege

Hespelers neues Buch über die Hege präsentiert sich traditionell jagerisch, in forstgrünes Leinen gebunden. Im Inhalt aber rechnet er mit den meisten, lieb gebliebenen Traditionen der Hege ab. Seine Vorstellung ist völlig anders als die herkömmliche Praxis: Wie der ehemalige Landesjägermeister von Kärnten Anderluh sucht Hespeler mit seinem Buch über die Hege nach neuen Werten, neuen Bedeutungsinhalten und Ideen für die Jagd. Nicht wie traditionell „starke Trophäen und hohe Strecken“ dürfen Ziele der Hege sein. Die Hege muss den Lebensraum unseres Wildes erhalten oder verbessern, darf die Artenvielfalt nicht bedrohen, sondern hat zum Ziel sie zu erhalten. Um seine Meinung zu Hege zu illustrieren, zitiert er Dieberger, einen Jagdhistoriker an der Hochschule für Bodenkultur in Wien:

Manchmal tun wir so, als habe der Liebe Gott in Sachen Wild und Natur ein paar Fehler gemacht, die wir Jäger nun korrigieren müssen, aber das hat mit Hege nichts zu tun.

Hespeler rechnet gründlich ab mit herkömmlichen Zielen und Maßnahmen der Hege:

  • Mit der „Zahlenhege“, die konsequent weibliche Tiere schont, die Vermehrung durch Fütterung fördert und „Feinde“ bekämpft,
  • mit dem Schutz des Wildes vor Feinden vom Mauswiesel über den  Habicht bis zum Wolf,
  • mit dem „Schutz des Wildes vor“ Futternot“,
  • mit der Qualitätshege etwa zur „Verbesserung von Trophäen“
  • mit der Hege als Beschäftigungstherapie, etwa bei der Reviergestaltung.

 

Zunächst erinnert der Autor an die großen „Heger“ und Jagdlehrer in der Vergangenheit von Döbel und Dombrowski über Scherping bis zu Henze. Scherping etwa entwarf ein neues Jagdrecht für Großdeutschland mit Verbot von Tellereisen und Gift und anderen fortschrittlichen Regelungen. Nach dem 2. Weltkrieg war es die Grundlage des Bundesjagdgesetzes. Die Fallenjagd allerdings wurde wiederbelebt. Hespeler vergaß auch Henze nicht, der die Verfolgung von Eichelhäher und Sperber als Feinde der Kleinvögel propagierte, dafür aber den Habicht schützen wollte, weil er Sperber und Eichelhäher schlägt. Auch Frevert würdigt er gebührend, den Autor eines schmalen Bandes über „Jagdliches Brauchtum“, einen engagierten Nazi und möglichen Kriegsverbrecher, der nach dem Krieg in Baden-Württemberg mit einem Spitzenforstamt belehnt worden war.

(Bild: Bundesarchiv Koblenz) Von links:  Oberforstmeister Walter Frevert, Reichsjägermeister Hermann Göring , Oberstjägermeister Ulrich Scherping beim Begutachten von Trophäen (ca. 1943/44)

Das Buch befasst sich mit einer Vielzahl von Aspekten zur Hege, von der Geschichte des Jagens zum Fangen, Fragen des ökologischen Gleichgewichts, der Fallenjagd und dem Aussetzen von Tieren zur jagdlichen Belustigung. Es setzt sich auseinander mit Projekten zur Wiedereinbürgerung sowie natürlich mit der Fütterung, mit Blutauffrischung, mit Wintergattern und dem Abschuss darin und der Schwarzwildhege. Schließlich diskutiert es die Biotophege. Hespeler befasst sich auch mit Chancen von Heimkehrern vom Biber bis zum Braunbären. Er schließt sein Buch ab mit einem Plädoyer für mehr Rücksicht auf bedrohte Arten und für die Unterstützung des Kampfes gegen die Umweltzerstörung durch Hege.

Hespelers Hegeverständnis basiert auf seiner Vorstellung von einem „Ökologischen Gleichgewicht“. Er sieht das zu Recht nicht statisch. Die Natur lebe von ständigem Wandel etwa durch Störungen. Stabile Verhältnisse, ein ökologisches Gleichgewicht könne es daher nicht geben. Diese Grundvorstellung hat große Bedeutung für die Ziele der Hege und relativiert den Wert von Abschussplänen und besonders die Forderungen nach einer Bekämpfung von Raubwild und „Raubzeug“.

Aus der jagdlichen Geschichte seiner jungen Jahre, erinnert Hespeler an umfangreiche, intensive Bekämpfung von Fuchs und Marder, aber auch von Raubzeug wie Haushund- und Hauskatze. Zu den schädlichen Arten zählten Fischotter, Blesshühner, problematisch für die Wasserjagd. Igel und sogar der Feldhamster mussten kurzgehalten werden als gefürchtete Gelegeräuber. Hauptfeinde sind bis heute die Rabenvögel, von der Rabenkrähe bis zum Eichelhäher, obwohl selbst Singvögel, als Singvogelkiller verpönt.

Ein Kampf gegen diese Arten ist heute in der öffentlichen Meinung gottlob nicht mehr populär, sondern häufig verboten. Trotzdem, werden sie mancherorts weiter illegal weiter bekämpft. Geändert werden musste lediglich die Nomenklatur. Heute spricht man von „Prädatoren“ und „Prädatoren Management“.

(Bild: W. Kornder) Fuchs

Besonders kritisch setzt sich Hespeler mit der Fallenjagd auseinander, von vielen auch prominenten Jägern als unverzichtbar zum Schutz des Niederwilds erklärt. Um dem Artenschwund durch die Intensivierung der Landwirtschaft zu bremsen, muss das Raubwild dran glauben. Auch gelte die Fallenjagd unbedingt zu erhalten als uraltes Kulturgut der Jagd. Hespeler prangert diese Jagdmethode als besonders brutal und absolut nicht mehr zeitgemäß an. Massenhaft fallen ihr Krähenvögel zum Opfer, aber manchmal auch seltene, streng geschützte Arten wie Adler. Taubenzüchter versuchen mit dieser Methode ihren Hauptfeind, den streng geschützten Habicht, zu dezimieren.
Der Autor zeigt mit Beispielen, dass Fallen Tiere quälen, seltene Arten gefährden, sowie die Fallensteller selbst aber auch völlig Unbeteiligte, darunter Kinder, gefährden.

(Bild: Prof. Dr. Klaus Sojka) Katze in Schlagfalle

Bei der Faunen-Anreicherung durch die Aussetzung von Tieren ist für Hespeler das Motiv entscheidend: Naturschützer siedelten viele Arten wieder an, vom Biber über Uhu bis zum Wanderfalken, manchmal gegen den Widerstand von Jägern, die mit Gift oder Gewehr dagegenhielten. Ziel der Naturfreunde war Wiederherstellung der ursprünglichen heimischen Artenvielfalt. Der Widerstand im Untergrund bei einigen Arten ist groß. Selbst zugewanderte Bären, Luchse und Wölfe sind spurlos verschwunden.

Bei den Jägern ist die Liste der im Rahmen der Hege ausgesetzten Arten extrem bunt, z.B  Benett-Känguruh, Sikahirsch, Perlhuhn und Königsfasan, Moorschneehuhn, Bankivahuhn, Truthuhn und Steinhuhn. Die Liste spricht für sich.

(Bild: W. Kornder) Auch Jagdfasane werden bis zur Stunde ausgesetzt.

Kritisch ist auch die Auseinandersetzung mit Widereinbürgerungen:
Eingehend widmet sich Hespeler den Versuchen, Auer und Birkhuhn zu retten.
Über 200 Jahre lang wurde versucht, Auerhühner wiedereinzubürgern oder den Bestand wenigstens zu erhalten
Ursprünglich hatten sie in Mitteleuropa eine weite Verbreitung bis ins Flachland, bis in den Nürnberger Reichswald. Sie lebten in großen Gebieten Nieder- und Oberbayerns. Heute  haben sie sich auf wenige Reststandorte zurückgezogen etwa in den Bayerischen Wald und die Alpen. Über 200 Jahre lang gab es Einbürgerungs- oder Wiedereinbürgerungsversuche. Sie sind alle gescheitert. Geblieben sind Restbestände der Auerhühner im Böhmerwald und den Alpen.


Das Schicksal der Birkhühner ist ähnlich tragisch. Früher im Flachland auf Moor- und Heideflächen weit verbreitet, haben sie heute fast nur noch im Hochgebirge überlebt. Die Landschaft hat sich fundamental verändert. Wo Moor und Heide waren, wo es Hochstaudenfluren, Extensiv- Grünland mit Blumenwiesen und lichte Feldgehölze gab, finden wir heute Intensivwiesen und dichte Forsten.
In verbliebenen Moorgebieten oder waldarmen Hochlagen der Mittelgebirge begann man Birkhühner auszusetzen um die Bestände zu stützen. Alle diese Vorhaben sind möglicherweise mit Ausnahme der Rhön gescheitert. Aber auch dort zeichnet sich kein Durchbruch ab. Intensive Fangjagd und „Blutauffrischung“ mit Hühnern aus Schweden bringen wahrscheinlich nicht die entscheidende Wende.

(Bild: W.A. Bajohr) Birkhahn

Sehr kritisch sieht Hespeler die Fütterung von Schalenwild. Bei der Hege hat sie eine zentrale Bedeutung. Sie wird traditionell damit begründet, dass das Wild im Winter vom rauen Gebirge in die Täler zieht, um dort zu überwintern, so dass es dort durchgefüttert werden muss. Schon im 17. Jahrhundert wusste man allerdings, dass sich die relativ schwere kalte Luft von den warmen, meist rasch ausapernden Hängen abfließt um sich in Kaltluftstausee im Tal aufzustauen. Attraktiv als Wintereinstand für das Rotwild sind daher allenfalls weite Flusstäler im Vorland von Alpen und Mittelgebirgen, aber natürlich auch steile, früh ausapernden Südhänge im Gebirge.


In größerem Maße wurde die Rotwildfütterung im 19. Jahrhundert eingeführt, populär wurde sie an der Wende vom 19. ins 20. Rotwild war allerdings im 19. Jahrhundert bis weit hinein ins 20. auf großer Fläche ausgerottet und wanderte erst allmählich langsam wieder ein.
Raesfeld war einer der Ersten, der in der neueren Zeit die Fütterung des Schalenwildes förderte. Er behauptete, mit Fütterung könne man Wildschäden vermindern. Man könne höhere Schalenwildbestände hegen, mit vertretbaren Schäden an der Vegetation.
Dafür gibt es allerdings keinerlei wissenschaftlich fundierten Beweis. Heute wissen wir, in vielen Fällen scheint das Gegenteil der Fall zu sein. An Fütterungen sammeln sich Wildkonzentrationen. Dort wird stark verbissen und geschält.
Trotzdem ist die Winterfütterung von Rotwild in den Rotwildgebieten Bayerns Pflicht. Wer nicht füttert, kann bestraft werden.
Die Fütterung von Schalenwild wird häufig auch wegen des Tierschutzes gefordert. Da stellt Hespeler die Frage, warum nur Schalenwild und davon nur einige Arten gefüttert werden. Wildschweine und Gämsen bleiben außen vor, letztere im rauen Hochgebirge.
Der Autor ruft in Erinnerung, dass der Stoffwechsel der Rehe im Winter auf Sparflamme reduziert ist. Energiereiche Fütterung in dieser Zeit ist also widernatürlich, ja gefährlich.
Hackländer, von Hespeler zitiert, bringt es auf den Punkt: Aus Tierschutzgründen wäre schlimm, weil wir ja durch das Füttern vom Wildtier immer weiter wegkommen.
Für Hespeler bewegt sich die Rehwildfütterung von „belanglos“ bis zur brutalen Tierquälerei. „Belanglos“ ist Grummet, „Tierquälerei“ sind Trester und Kraftfutter, die den pH-Wert im Pansen beeinflussen und zum qualvollen Tod führen können. Kraftfutter ist Teufelszeug.

(Bild: W. Kornder) Rehwildfütterung in Notzeit?

Fütterung kann die Wilddichte von Rehen durch Verbesserung der Überlebensrate der Geißen oder der Überlebenschancen der Kitze erhöhen. Das führt zu mehr Rehen auf der Fläche im Sommer und damit zu stärkerer Verbissbelastung, allerdings auch zu höherer Parasitierung.


Kein heikles Kapitel spart der Autor aus - so auch nicht die „Blutauffrischung“ und die Einbürgerung von exotischen Arten. Blutauffrischung war bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wichtiges Thema. Diskutiert wurde alles Wild von Enten über die Fasanen, die Hasen und die Kaninchen, natürlich auch die Rehe und besonders das Rotwild.
Letztere Wildart war, wie gesagt, im 19. Jahrhundert lange Zeit auch schon vor der Revolution 1848 ausgerottet. Im 20. Jahrhundert dauerte es dann lange, bis Bestand und Verbreitung den jetzigen Stand erreichten. Eine Wiedereinbürgerung war teilweise verboten. Lange Zeit gab es keinen Trophäenkult. Als der dann aufkam, wurden teilweise Wapiti- und Maral Hirsche eingekreuzt um die „Trophäenqualität“zu verbessern. Die Körper – und Geweihmerkmale der eingekreuzten Arten verschwanden jedoch schon in der ersten Generation. Ein „Gipfel der Perversion“ wird in Neuseeland erreicht, wo die dort eingebürgerten Rothirsche unglaublich starke Geweihe entwickeln und für amerikanische Trophäenfanatiker nach Südamerika exportiert werden. Ihr Sperma wird für die Zucht gewonnen. Portraits findet man in Katalogen zum Aussuchen.

(Bild: Bundesarchiv Koblenz) Göring bei der Sichtung erlegter Hirsche (ca. 1939-44)

Einkreuzung mit dem Ziel stärkerer Trophäen gab es auch beim Muffelwild. Nach Ansicht vieler Wildbiologen handelt es sich bei dieser Art um verwilderte Hausschafe, die vor 10000 Jahren in Anatolien domestiziert auf Inseln im Mittelmeer verwilderten. Der Kopfschmuck der eingeführten Widder war anfangs eher unansehnlich, wurde aber durch Einkreuzung von Zackelschafen und Heidschnucken auf das heutige Niveau hochgezüchtet. Muffel schälen stark, ohne Felsen im Lebensraum wachsen ihre Hufe aus, sie leiden an Moderhinke. Gegen den Widerstand der Jägerschaft sind sie aber nur schwer wieder zu eliminieren. Hier werden Wolf und Luchs wichtige Dienste leisten. Für sie sind Mufflons leichte Beute besonders dort, wo es keine Felsen als Rückzugsgebiete gibt.
Hespeler kommentiert außerdem auch „Blutauffrischung“ bei Rehen, Feldhasen und Kaninchen und auch Fasan und Enten. Über die zu berichten würde hier zu weit führen.

(Bild: W. Kornder) Je kapitaler die Schnecken, desto besser!

(Bild: ÖJV Bayern) Dass Muffelwild oftmals Schalenprobleme hat, interessiert nicht sonderlich.

Wichtiger ist Hespelers Meinung zu Wintergattern: Es sind dies ca. 30-40 ha große, eingezäunte Flächen in denen Rotwild ab Winterbeginn hinter Zaun gehalten und gefüttert wird. um bei Beginn des Frühlings wieder in freie Wildbahn entlassen zu werden. Man erhofft sich dadurch eine deutliche Verringerung der Wildschäden auch bei höheren Wildbeständen. Allerdings schälen und verbeißen überhöhte Rotwildbestände auch in der Vegetationszeit, wenn sie nicht mehr hinter Gittern gehalten werden. Um diese Zeit der relativen Freiheit zu verkürzen wird das Wild immer länger hinter Zaun gehalten. Die lebenstüchtigsten Tiere bleiben außen, werden aber dort intensiv bejagt. Das clevere Wild wird erlegt, das weniger schlaue zum „Sozialhilfeempfänger“
Das Rotwild-Management gleicht so mehr der Rinderhaltung im Gebirge. Das Gatter ersetzt den Stall.

(Bild: W. Kornder) Wintergatter

Manche Gatter werden auch zur Regulierung genutzt.  Dies ist zwar verpönt, sei aber, so Hespeler sinnvoll und keine Tierquälerei, wenn es von professionellem Personal erledigt werde.


Kurz widmet sich Hespeler den Widersprüchlichkeiten der Schwarzwildhege. Während des 2.Weltkrieges und unmittelbar danach konnten sich die Schwarzkittel mangels Jäger und geeigneten Waffen massenhaft vermehren. Aber danach vermochten es wenige Weidmänner mit einfachen Waffen weite Bereiche Deutschland schwarzwildfrei zu machen. In der DDR half der Saufang.


Danach begann die Hege etwa mit dem „Lüneburger Modell“, das den Abschuss von Wildschweinen über 50 Kilo verpönte und den reifen Keiler zum Ziel der Hege erklärte. Der Abschuss von Bachen war streng verpönt. Dieser Form der „Hege“ und ihren Varianten verdanken wir die heutige Wildschweinkatastrophe und die Gefahr der Schweinepest. Selbst der Saufang, die tierschutzfreundlichste und sehr effektive Methode der Regulierung, wird bis heute nur sehr zögerlich und oft nur gegen großen Widerstand erlaubt.

(Bild: W. Kornder) Im Nationalpark Bayerischer Wald hat man viel Erfahrung mit Saufängen.

Kritisch ist auch Hespelers Auseinandersetzung mit der „Biotophege“. Sie wurde populär, nachdem man erkannte, dass mit der Intensivierung der Landwirtschaft, mit den immer größer werdenden Schlägen, mit zunehmender Mineraldüngung und Pestizideinsatz mit Beseitigung von Feuchtgebieten und Feldgehölzen die Lebensbedingungen für das Wild stetig schlechter wurden. Verschärfend dazu kommt heute der Maisanbau.
Um dem entgegen zu wirken, begannen die Jäger mit Biotopgestaltung und Revierhege mit zunächst vielen Irrwegen, etwa mit der Empfehlung zum Anbau von Sachalin-Knöterich und Riesenbärenklau.
Später kam dazu die Pflege der „Kulturlandschaft: Die Mahd von Feuchtwiesen, die Entbuschung von Trockenrasen und Schaffung einer Vielzahl von Feuchtflächen. Hespeler kritisiert, dass viele Sukzessionen durch heutige Pflegemaßnahmen nicht steuerbar sind und dass vor allem jagdliche Motive hinter diesen Bemühungen stehen, nicht aber Naturschutzziele. Nicht die Verbesserung der Lebensbedingungen der Wildtiere allgemein steht im Vordergrund, sondern die Jagd.

Ausgiebig widmet er sich dem Thema“ ökologisches Gleichgewicht“. Er rechnet ab mit der Bekämpfung von Raubwild und Raubzeug, „Todfeinden“ des Niederwildes insbesondere der Feldhühner.
Besonders widmet er sich der Bekämpfung des Fuchses, vermeintlich einem der Haupttäter beim Untergang des Niederwildes, des Birkwildes aber auch des Brachvogels und des Wachtelkönigs. Der rote Räuber hat aber kaum nennenswerten Einfluss auf die Bestandsentwicklung seiner Beutetiere, noch hat die Bekämpfung Einfluss auf die Bestandsdynamik des Untäters. Dichte und Entwicklung des Niederwildes werden heute weit überwiegend von der Landwirtschaft gesteuert. Der Fuchs frisst überwiegend Mäuse.

 

Natürlich widmet sich Hespelers Buch auch den Rückwanderern: Luchs, Wolf und Bär.
Diese Heimkehrer sind bei vielen „Hegern“ nicht willkommen:
Luchse wurden Anfang der 70 siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts im Umfeld des Nationalparks Bayerischer Wald wiedereingebürgert. Dieser erste Versuch mit etwa 10 Tieren scheiterte dem Hörensagen nach, weil alle getötet worden sind, einer von einem Förster in „Notwehr“. Bei weiteren Versuchen wurden viele Tiere illegal gefangen, geschossen oder vergiftetet. Im Bayerischen-/Böhmerwald hat sich inzwischen ein kleiner Bestand etabliert, ebenso im Harz. Im Harz waren Tiere aus Gehegen und nicht Wildtiere Grundlage der Bestandsbegründung. Dennoch scheint diese Aktion noch am relativ erfolgreichsten. Auch die Jäger scheinen dort diszipliniert. Überall haben die Luchse genetische Probleme, weil die sich die, sehr langsam wachsenden Bestände aus sehr wenigen Tieren entwickelt haben. Außerdem sehen noch viele Weidmänner den Luchs als Feind.

(Bild: W.A. Bajohr) Der Luchs – auch ein Konkurrent!

Die Möglichkeiten für Braunbären nach Deutschland zurück zu kehren sieht Hesperler kritisch, anders als in Österreich, wo er in große gebirgige, bewaldete Areale heimkehren könnte. Aus direkt südlich gelegenen Vorkommen in Slowenien könnte er problemlos zuwandern. Problematisch seien hier „Heger“, die im Verdacht stehen die Bären z.T. an Winterfütterungen getötet zu haben. Auch bei starkem Verdacht kam es nie zu Verurteilungen.
Große Aufmerksamkeit widmet Hespeler dem Bären Bruno; der von Italien nach Oberbayern einwanderte. Bruno war zunächst ein geduldeter Zuwanderer. Nach dem Einbruch in Bienenkästen und der Tötung einiger Schafe, also lächerlich geringem Sachschaden, wurde Bruno zum „Problembär“ erklärt. Nach aufwändigen Aktionen ihn zu fangen und vielen Misserfolgen, ist er schließlich erschossen worden.
Hespeler erweist auf die geringen Schäden, die der Bär verursacht hat, im Vergleich zu den gewaltigen Kosten seiner Tötung.


In anderen Ländern gibt es mehr Toleranz. In Mumbai leben Leoparden mitten in der Stadt, in Anchorage Schwarzbären, in Harar, Äthiopien, Hyänen, in Botswana wandern vielköpfige Elefantenherden durch Siedlungen. Für mehr Glaubwürdigkeit für Wildtiere zu sorgen, dafür ihre Zukunft zu sichern, das ist für Hespeler Hege.


Natürlich setzt sich Hespeler auch mit der Rückkehr der Wölfe auseinander. In Österreich ist die Toleranz weitaus geringer als in Deutschland. In einem Überblick über die Literatur zeigt er, dass Gefahr weder für Menschen besteht noch für den Bestand von Beutetieren - mit Ausnahme von Muffelwild, das außerhalb seiner natürlichen Verbreitung, ohne Felsen im Revier, dem Wolf hilflos ausgeliefert ist.

(Bild: Prof. Dr. Vadim Sidorovich-M. Hetzer) Die Wölfe sind zurück. Hier ein Foto aus Weißrussland.

Immer wieder werden Absurditäten der Hege geschildert, etwa der Schutz von bedrohtem Auer-und Birkwild  durch Abschuss von unduldsamen Hahnen bei der Balz. In Österreich ist die Jagd auf Raufußhühner noch möglich. Es gelte die „alten Raufer“ zu erledigen, die für die Kämpfe auf den Balzplätzen verantwortlich seien. Dabei wurde übersehen, dass sich die Hennen nur von den dominanten Hahnen treten lassen. Dennoch gilt als wirklicher Weidmann der, der einen alten Urhahn zur Strecke bringt.

Verbittert ist Hespelers Kommentar zum großen Schweigen vieler jagdlicher Organisationen und ihrer Repräsentanten. Sie schweigen zum Verschwinden jagdbarer Arten und zur großflächigen Zerstörung von Lebensraum. Diese Verbände distanzieren sich nicht von der der Agrarindustrie und der mörderischen Massentierhaltung. Diese jagdlichen Organisationen taten nur wenig zum Schutz elementarer Lebensgrundlagen.  Fallenjagd und Krähenbekämpfung sind ihre Mittel zur Erhaltung der Artenvielfalt. Grundwasserverseuchung und Artenschwund seien nur halb so schlimm. So entstanden große Monokulturen ohne Wildkräuter und ohne Insekten.
Aber es gab noch nie so viel Rehe und Wildschweine wie heute -zahlreich statt artenreich.

Hespelers Gesamtschau über die Hege ist ein sehr lesenswertes Werk zu Jagd und besonders Hege für natur- und tierfreundlich denkende Jäger aber auch reine Naturliebhaber. Bei vielen Themen richtet es sich an ein Publikum in Österreich.  Das Buch  scheint aber auch  wichtig für eine Leserschaft im ganzen deutschsprachigen Raum. Er schreibt sehr kenntnisreich und engagiert, formuliert witzig und spart Schilderungen von jagdlichen Absurditäten keineswegs aus. Dahinter sind erkennbar seine Begeisterung und tief verwurzelte Liebe zur Natur und Umwelt aber auch zur Jagd

Dr. Klaus Thiele